Jurybegründung:
Minsk, Belarus im Sommer 2020 an einigen Tagen rund um die „Wiederwahl“ Lukaschenkos – eine Familie muss sich entscheiden, ob sie dem Regime die Treue hält oder sich dem Widerstand anschließt. Im Zentrum der Erzählung steht der Fotograf Pavel, dessen Eltern sich dem System angedient haben und der selbst zwischen Anpassung und Auflehnung schwankt. Vor allem die Beziehung von Vater und Sohn steht im Mitteipunkt des Drehbuchs, aber auch die Schwester und ein enger Freund besetzen wichtige Scharnierfunktionen. Die unterschiedlichen Positionen werden dramaturgisch überzeugend über die Figuren ausgefaltet, ohne dabei didaktisch zu werden. Wie unter einem Brennglas zeigen sich in dieser geschickt konstruierten Konstellation Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Europas. Das Erbe der Familie ist auch das Erbe des Kontinents – komplex, widersprüchlich und ohne einfache Antworten. Auch wenn Belarus angesichts einer Vielzahl anderer Krisen in den Hintergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt ist, so erinnert dieses emotional und politisch starke Drehbuch an einen Konflikt, der nichts an Aktualität eingebüßt hat.