Wiesbaden. Hessens Universitäten waren in der aktuellen Förderrunde für Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sehr erfolgreich. Unter den Sonderforschungsbereichen, deren Einrichtung oder Fortführung die DFG heute bekannt gab, finden sich sieben Projekte aus Hessen. Gefördert werden Verbünde in der Atmosphärenforschung, der Mathematik, der pharmakologischen Forschung, der Virologie, der Kern-/Astrophysik, den Material- und den Energiewissenschaften. Mit den Sonderforschungsbereichen fördert die DFG, die größte Forschungsförderorganisation in Deutschland, langfristige Projekte exzellenter Grundlagenforschung.
Besonders stark im regionalen Verbund
„Der Erfolg unserer Universitäten ist eine tolle Nachricht und eine Bestätigung dafür, dass wir als Land in der Forschungsförderung auf Profil und Zusammenarbeit setzen“, erklärt Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Die hessischen Hochschulen sind besonders dort stark, wo sie ihre Spitzenforschung im regionalen Verbund bündeln. Dies gilt etwa für die Strategische Allianz der Rhein-Main-Universitäten, in der die Goethe-Universität Frankfurt, die Technische Universität Darmstadt und die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz kooperieren. Auch der Forschungscampus Mittelhessen, für den die Philipps-Universität Marburg, die Justus-Liebig-Universität Gießen und die Technische Hochschule Mittelhessen zusammenarbeiten, ist ein gelungenes Beispiel erfolgreicher Kooperation. Beide Zusammenschlüsse sind eine wichtige Basis für die hessischen Sonderforschungsbereiche. Zudem schaffen wir mit dem bundesweit einzigartigen hessischen Forschungsförderprogramm LOEWE eine weitere Grundlage für diese Erfolge.“
Zum 1. Juli 2021 neu eingerichtet werden die Sonderforschungsbereiche:
Die Tropopause, eine Grenzfläche der Erdatmosphäre, beeinflusst unser Klima. Wer Prognosen zum Klimawandel geben will, muss die Prozesse dort verstehen. Das möchte der SFB-Transregio “ Die Tropopausenregion in einer Atmosphäre im Wandel“ (Goethe-Universität Frankfurt/Johannes Gutenberg-Universität Mainz; beteiligt: TU Darmstadt) durch die Kombination von Messungen, Laboruntersuchungen, theoretischen Ansätzen und Modellrechnungen erreichen.
Uniformisierung in der Mathematik erlaubt es, ein kompliziertes geometrisches Objekt durch ein einfacheres zu ersetzen und eröffnet damit neue Perspektiven für die Untersuchung der ursprünglichen mathematischen Objekte. Der SFB-Transregio „Geometrie und Arithmetik uniformisierter Strukturen (GAUS)“ (Goethe-Universität Frankfurt/TU Darmstadt/Universität Heidelberg) will eine führende Rolle bei künftigen Entwicklungen dieser Rechenoperationen einnehmen. Der Verbund wird von der Universität Mainz verstärkt.
In die zweite oder dritte Förderphase gehen die folgenden Verbundprojekte:
Die Corona-Pandemie führt es uns drastisch vor Augen: RNA-Viren können sich schnell an neue Bedingungen anpassen, weil ihr Erbgut so veränderlich ist. Der Sonderforschungsbereich (SFB) „RNA Viren: Metabolismus viraler RNA, Immunantwort der Wirtszellen und virale Pathogenese“(Philipps-Universität Marburg; beteiligt: JLU Gießen) erforscht in einem multidisziplinären Ansatz repräsentative Vertreter verschiedener RNA-Virus-Familien. In der neuen Förderperiode nimmt das Projekt auch die Anwendung der Forschungsergebnisse für neue Therapien in den Blick.
Lipide werden in lebenden Organismen nicht nur als Energiespeicher und Strukturkomponenten gebraucht, sondern sind auch Signalmoleküle. Wenn der Lipidstoffwechsel gestört ist, können Krankheiten entstehen oder befördert werden. Der SFB „Krankheitsrelevante Signaltransduktion durch Fettsäurederivate und Sphingolipide“ (Goethe-Universität Frankfurt) will ein umfassendes Verständnis dafür entwickeln, wie lipidvermittelte Signalnetzwerke funktionieren, um neue Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung zu entwickeln.
Die modernen Materialwissenschaften erforschen künstliche Werkstoffe, die ganz neue Anwendungen erschließen. Solche Hybridmaterialen können beispielsweise biegsam wie Plastik, hart wie Stahl und leitfähig wie Kupfer zugleich sein. Dabei spielen innere Grenzflächen zwischen Festkörpern eine wichtige Rolle. Der SFB „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“ (Philipps-Universität Marburg; beteiligt: JLU Gießen) will die Lücke im mikroskopischen Verständnis ihrer Struktur und Dynamik schließen. Mit diesem Wissen sollen Materialien und Bauelemente mit neuen Eigenschaften und Funktionalitäten hergestellt werden können.
79 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen kommen aus dem Energiesektor. Das zeigt, wie wichtig das Thema Dekarbonisierung ist, das der SFB-Transregio „Oxyflame – Entwicklung von Methoden und Modellen zur Beschreibung der Reaktion fester Brennstoffe in einer Oxyfuel-Atmosphäre“ (TU Darmstadt/RWTH Aachen/Ruhr-Universität Bochum) adressiert. Bei dem Oxyfuel-Ansatz handelt es sich um einen Verbrennungsprozess mit reinem Sauerstoff. Das tiefe Verständnis der chemischen und physikalischen Prozesse soll in das effektive und zuverlässige Design von großvolumigen Oxyfuel-Verbrennungsanlagen münden.
Ziel des SFB-Transregios „Stark wechselwirkende Materie unter extremen Bedingungen“ (TU Darmstadt/Goethe-Universität Frankfurt/Universität Bielefeld) ist, unser Verständnis der Phasenstruktur und der Eigenschaften stark wechselwirkender Materie unter extremen Bedingungen von Temperatur und Dichte entscheidend voranzubringen. Dazu wird auch die Rolle stark wechselwirkender Materie im frühen Universum betrachtet. Künftig soll auch die FAIR-Anlage am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung für die Experimente genutzt werden.
Förderung ermöglicht anspruchsvolle Forschung
Sonderforschungsbereiche sind von der DFG auf bis zu zwölf Jahre angelegte Verbundprojekte der Hochschulen, in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fächerübergreifend zusammenarbeiten. Sie ermöglichen anspruchsvolle, langfristig konzipierte Forschungsvorhaben und dienen der Schwerpunkt- und Strukturbildung. Während ein klassischer Sonderforschungsbereich schwerpunktmäßig an einer Universität verortet ist, werden SFB-Transregios (TRR) von mehreren Hochschulen gemeinsam beantragt und getragen. Zweimal im Jahr entscheidet die DFG über die Förderung der Sonderforschungsbereiche.