Das Land Hessen hat mit Unverständnis auf die Ankündigung der Rhön-Klinikum AG reagiert, das Zukunftspapier 2017 zu kündigen und so die Verhandlungen zur Anschlussvereinbarung des Zukunftspapiers in eine Phase der Unsicherheit zu ziehen. „Die Rhön-Klinikum AG droht den Fehler von 2014 zu wiederholen, mit Maximalpositionen für konzerneigene Interessen, die nicht durch den Letter of Intent gedeckt sind, wichtige Angebote des Landes auszuschlagen, unter anderem Landesmittel in Höhe von knapp einer halben Milliarde Euro, die wir zur Verfügung stellen wollen, ohne dass wir gesetzlich dazu verpflichtet wären“, so Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Dies ist ein Tiefpunkt der Verhandlungen und umso bedauerlicher, weil Asklepios und Rhön damit den im Januar vereinbarten Letter of Intent in Frage stellen. Wir appellieren an die Rhön AG, mehr Verantwortung für sein Flaggschiff unter den Rhönkliniken zu übernehmen.“ Bereits 2014 war das Land bereit, in das Uniklinikum zu investieren, obwohl es dazu nicht verpflichtet ist. Rhön hatte am Ende eine Einigung blockiert, da eine Mitsprachemöglichkeit des Landes im Aufsichtsrat von UKGM als Gegenleistung seitens Rhön abgelehnt wurde.
Nur noch ein Punkt ist offen
Der Tiefpunkt der Verhandlungen ist auch deshalb unverständlich, weil nur noch ein einziger großer Punkt aus dem Letter of Intent offen ist. Aus Sicht des Landes war eine Einigungsmöglichkeit zu diesem letzten Punkt rechtzeitig vor Ablauf der Frist zur Kündigung des Zukunftspapiers 2017 möglich und wurde auch seitens des Landes durch verschiedene Gesprächsangebote und Handlungsalternativen unterstrichen. Seit Mitte Mai waren sich alle Beteiligten einig darüber, dass nur noch dieser Verhandlungspunkt nicht geeint ist, und seit Anfang Juni haben die Rhön AG und Asklepios weitere Gesprächsangebote nicht wahrgenommen.
Kein zeitlicher Druck für Kündigung
„Es bestand kein zeitlicher Druck für die Rhön AG, das Zukunftspapier zu kündigen. Für den Fall, dass es weiter einen Einigungswillen auf Basis des Letter of Intent bei der Rhön AG und Asklepios geben sollte, hatten wir landesseitig angeboten, die Kündigungsfrist des Zukunftspapiers zu verlängern. Selbst für den Fall, dass die Rhön AG und Asklepios tatsächlich nicht mehr auf Basis des Letter of Intent zu einer Einigung bereit sind, haben wir ein weiteres Angebot im Interesse des Medizin- und Hochschulstandortes, der Beschäftigten und der Patientinnen und Patienten in der Region unterbreitet. Wir waren bereit, das Zukunftspapier um zwei weitere Jahre zu verlängern und nach möglichen neuen Lösungen zu suchen, um die Universitätsmedizin in Mittelhessen zukunftsfähig aufzustellen. Das ist im Interesse des Uniklinikstandortes, weil es die Sicherheiten für die Beschäftigten, insbesondere den Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen, erhält. Wir wären als Land im Gegenzug bereit gewesen, auch die Frist für die Baumaßnahmen um zwei Jahre bis 2026 zu verlängern, zu deren Fertigstellung sich Rhön bis 2024 verpflichtet hat. Bei Nichterfüllung dieser Pflicht kämen vertraglich vereinbarte signifikante finanzielle Belastungen auf den Eigner zu.
Weiterhin zur Verwirklichung des LoI bereit
Wir sind weiterhin zur Verwirklichung des Letter of Intent in Form einer Anschlussvereinbarung bereit. Daher beabsichtigen wir, im Landeshaushalt Vorsorge zu treffen und bis zu einer Einigung die vorgesehenen Mittel für die Investitionsförderung in eine Rücklage mit entsprechender Zweckbindung einzubringen. Die Mittel stehen damit weiterhin für die Universitätsmedizin in Marburg und Gießen zur Verfügung. Nun liegt es an der Rhön AG und Asklepios, eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Wir stehen zu unseren Zusagen und wollen im Interesse des Medizin- und Hochschulstandortes, der Beschäftigten und der Patientinnen und Patienten in der Region bestmöglich zu einem Abschluss der Anschlussvereinbarung kommen, die die Inhalte des Letter of Intent umsetzt.“
Hintergrund zum Zukunftspapier:
Beide Vertragspartner hatten die Möglichkeit, das Zukunftspapier bis zum 30. 6. 2022 kündigen; dann treten die enthaltenen Regelungen zum 1. Januar 2023 außer Kraft. Andernfalls hätte sich die Vereinbarung um ein Jahr verlängert.
Das Zukunftspapier regelt den grundsätzlichen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und den Ausschluss von Ausgliederungen von Betriebsteilen. Eine Kündigung beinhaltet erhebliche negative finanzielle Folgewirkungen für Rhön und UKGM etwa bei der Trennungsrechnung, die die Leistungen des UKGM für Forschung und Lehre einerseits und für die Krankenversorgung andererseits aus steuer- und beihilferechtlichen Gründen voneinander abgrenzt. Das Abrechnungsprozedere würde auf die Einigung im Kooperationsvertrag zurückfallen und das UKGM würde wertvolle Planungssicherheit verlieren. Damit würde die 2,5-prozentige Steigerung der Beiträge wegfallen, die die Universität aus Landesmitteln zum Betrieb des Klinikums beisteuert; der Abschlag würde auf das Niveau von 2017 zurückfallen. Sowohl dem UKGM als auch den beteiligten Universitäten entstünde ein hoher verwaltungstechnischer Mehraufwand für die Abrechnung. Außerdem gibt es im Fall der Kündigung durch die Rhön-Klinikum AG keine weitere Verlängerungsfrist für die seit 2017 geschuldeten Baumaßnahmen, die also bis 2024 fertig gestellt werden müssten. Wenn Rhön sie nicht fertigstellt, hat das für den Konzern erhebliche negative finanzielle Folgen.