Wiesbaden. Hessen engagiert sich weiter in der Aufarbeitung des Sammlungsguts mit Kolonialbezug. Heute treffen sich Vertreterinnen und Vertreter von Museen und Forschungseinrichtungen zu einem digitalen Auftakttreffen für ein Verbundnetzwerk zu diesem Thema. Die Federführung hat das Museum Wiesbaden. Gemeinsam mit der Philipps-Universität Marburg vertritt es Hessen auf Bundesebene bei der 3-Wege-Strategie, die Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland erfassen und digital veröffentlichen soll. Das Verbundnetzwerk soll die Erkenntnisse, die dort gemacht werden, in die hessischen Sammlungen bringen. Zudem soll es den Austausch der beteiligten Institutionen fördern und Synergien in der Erforschung und Erfassung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten erarbeiten. Das nützt insbesondere auch kleineren Häusern und Sammlungen. Gemeinsame Verbundprojektanträge zur Einwerbung von Drittmitteln sollen möglich sein und auch ein Provenienzforschungs-Netzwerk zu kolonialen Kontexten ist denkbar.
„Deutschland war eine Kolonialmacht und hat in den Gebieten, die es sich aneignete, teils unfassbare Verbrechen begangen. Darüber gesprochen wird heute noch zu wenig“, so Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn. „Unsere Museen und Sammlungen sind Botschafter zwischen Vergangenheit und Zukunft und die Orte, an denen die deutsche Kolonialherrschaft und ihre Auswirkungen deutlich sichtbar werden. Um den Umgang mit den Verbrechen aus der Kolonialzeit zu diskutieren, müssen weitere Perspektiven aus der Wissenschaft, aus den Museen und Stimmen aus den Herkunftsgesellschaften hinzukommen. Hier setzt die 3-Wege-Strategie an. Die dort gemachten Erfahrungen werden wir mit Hilfe des Verbundprojekts auch kleineren Institutionen zugänglich machen – und so die Aufarbeitung an ganz unterschiedlichen Stellen voranbringen. Wir werden zudem auf die Expertise der Forscherinnen und Forscher zurückgreifen und uns als Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst im Rahmen einer historischen Kommission Unterstützung bei der Frage holen, wie wir in Liegenschaften, Institutionen und Denkmälern in unserer Zuständigkeit mit kolonialen Bezügen umgehen können. Denn auch wenn die 3-Wege-Strategie des Bundes zunächst nur 25 Pilotprojekte umfasst, stellen wir in Hessen jetzt schon sicher, dass die Ergebnisse darüber hinaus ausstrahlen werden.“
3-Wege-Strategie breiter diskutieren
„Wir wollen die Entwicklung der bundesweiten 3-Wege-Strategie von Anfang an breiter im Land diskutieren“, betont Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden, „denn diese Debatte zur Aufarbeitung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten kann von den spezifischen Herausforderungen und Fragestellungen nicht nur der großen, sondern insbesondere auch der kleineren Sammlungen profitieren. Zudem suchen wir im Verbundnetzwerk nach gemeinsamen Forschungsansätzen und Kooperationsmöglichkeiten, da dieses komplexe Thema unsere geballte Expertise verlangt. Perspektivisch ist es wichtig, dass alle objektebewahrenden Häuser in Hessen, gleich welcher Größe und Trägerschaft, sich in dem neu zu entwickelnden Datenrepositorium der 3-Wege-Strategie wiederfinden, weil nur dann eine wirklich umfassende Transparenz hergestellt werden kann und wir alle unserer Verantwortung gerecht werden.“
Wer macht mit?
Bisher machen beim Verbundnetzwerk die beiden hessischen Landesmuseen in Darmstadt und Wiesbaden sowie die Philipps-Universität Marburg, der Hessische Museumsverband, das Deutsche Ledermuseum in Offenbach, das Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main, das Oberhessische Museum Gießen, das Völkerkundemuseum in Witzenhausen, das Institut für Weltkirche und Mission an der Hochschule Sankt Georgen, das Frobenius Institut für kulturanthropologische Forschung e.V. an der Goethe-Universität Frankfurt und das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt mit Forschungsinstitut mit.
Was ist die 3-Wege-Strategie?
Die 3-Wege-Strategie haben Länder, Bund und kommunale Spitzenverbände verabschiedet, um Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland zu erfassen und digital zu veröffentlichen. Dazu gehören die Schaffung eines zentralen Zugangs zu bereits digital erfasstem Sammlungsgut, die digitale Grunderfassung und Veröffentlichung solcher Bestände sowie die Erarbeitung von Standards für die langfristige digitale Verfügbarmachung.