Der Robert Gernhardt Preis soll Autorinnen und Autoren die Realisierung eines größeren literarischen Vorhabens ermöglichen. Er ist nach dem 1937 in Reval geborenen und 2006 in Frankfurt am Main verstorbenen Autor, Zeichner und Maler Robert Gernhardt benannt und mit insgesamt 24.000 Euro dotiert. Das Preisgeld wird von der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen gestiftet. Der Preis kann einer Autorin oder einem Autor nur einmal verliehen werden.
Autorinnen und Autoren
Robert Gernhardt Preis
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Die Jury
Über die Vergabe des Robert Gernhardt Preises entscheidet eine unabhängige Jury. Mitglieder der Jury sind die Autorin und Robert-Gernhardt-Preisträgerin Ricarda Junge, der Literaturwissenschaftler Karl-Heinz Götze (Professor für deutsche Literatur und Landeskunde an der Universität Aix-en-Provence) und der Frankfurter Literaturkritiker Christoph Schröder. Darüber hinaus wirken je ein Vertreter oder eine Vertreterin der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank) und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst beratend mit.
Wie läuft die Bewerbung ab?
Autorinnen und Autoren können sich mit einem noch nicht vollendeten literarischen Projekt in deutscher Sprache bis 31. März des Bewerbungsjahres um den Robert Gernhardt Preis bewerben.
Voraussetzungen sind:
- ein Bezug zu Hessen im Lebenslauf oder im geplanten literarischen Projekt;
- dass das Manuskript zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht fertiggestellt ist und nicht im Jahr der Bewerbung veröffentlicht wird;
- Mindestens zwei selbständige literarische Veröffentlichungen in Printmedien
Zu diesen literarischen Veröffentlichungen zählen NICHT:
- Veröffentlichungen als Self-Publisher / Books on Demand bzw. in Zeitschriften und Anthologien
- Drehbücher
- Übersetzungen
- Theaterstücke, die bisher nicht uraufgeführt wurden
Mit der Onlinebewerbung sind einzureichen:
- Exposé von max. zwei Seiten (Arial 12, 1,5 Zeilenabstand), ohne Angaben bzw. Hinweisen zu der Autorin / dem Autor;
- Sechsseitige Textprobe des Prosa- oder Lyrik-Vorhabens (Arial 12, 1,5 Zeilenabstand), ohne Angaben bzw. Hinweisen zu der Autorin / dem Autor;
Nur vollständige Bewerbungen werden berücksichtigt.
Bisher Ausgezeichnete
Martin Piekar, 1990 in Bad Soden am Taunus geboren, hat an der Goethe-Universität Frankfurt Philosophie und Geschichte auf Lehramt studiert. Er lebt und arbeitet in Frankfurt. Mit 14 Jahren begann er mit dem Schreiben und wurde unter anderem Stipendiat im LiteraturLaborWolfenbüttel und zum Open Mike eingeladen. Zwischen 2010 und 2019 schrieb er die Lyrikbände Bastard Echo und AmokperVers, beide erschienen im Verlagshaus Berlin. Später folgten unter anderem ein Stipendium des Hessischen Literaturrats e.V. und des Prager Literaturhauses sowie 2023 der Kelag-Preis und der BKS-Publikumspreis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur. Den Robert Gernhardt Preis 2024 bekommt er für sein Vorhaben „Vom Fällen eines Stammbaums“. Darin erzählt er vom Aufwachsen eines Jungen, der mit seiner depressiven und alkoholkranken Mutter in einer kleinen Wohnung zusammenlebt. Er erfasst das Schweigen, das von Generation zu Generation weitergegeben wird, und findet heraus, wie sehr die Traumata seiner Familie bis in den Nationalsozialismus zurückreichen – und wie sehr sie ihn geprägt haben. Ein kraftvoller Text, in dem die Tonfälle zwischen Alltagsjargon, Nu-Metal und leiser Zärtlichkeit abwechselten, so die Jury.
Prof. Dr. Christina Griebel, geboren 1973 in Ulm, studierte Malerei, Kunsterziehung und Germanistik in Karlsruhe. 2000 wurde sie mit dem Stipendium „Autorenwerkstatt Prosa“ des Literarischen Colloquiums Berlin ausgezeichnet. Ihr erster Erzählband „Wenn es regnet, dann regnet es immer gleich auf den Kopf“ erschien 2003. Neben einer Reihe von Stipendien erhielt sie 2001 den Walter-Serner-Preis sowie 2002 den Preis für Junge Literatur der Stadt Ulm. 2003 nahm sie am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil. Seit 2015 ist sie Professorin für Kunstdidaktik und Bildungswissenschaften an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Prof. Dr. Christina Griebel bekommt den Robert Gernhardt Preis für ihr Erzählprojekt „Er ist niemals geflogen“. Der Text kreist in einer poetischen und bildreichen Sprache um eine rheinhessische Familie. Im Zentrum steht der Vater der Ich-Erzählerin, der niemals ohne sein Fernglas und ohne sein Vögel-Bestimmungsbuch unterwegs ist. Die Jury zeigte sich beeindruckt davon, wie die Erinnerungsschichten sich überlagern; jede Beobachtung erzeuge eine neue Assoziation. Das Fliegen, die Musik, der Geist der Epoche – alles fließe zusammen zu einem unscharfen und doch präzisen Porträt eines schweigsamen Mannes, der mit einem Geheimnis lebte.
Ulrike Almut Sandig wird für ihr Romanprojekt „Die Düne“ ausgezeichnet. Darin erzählt sie von einer Familie in einer postsowjetischen Großstadt, in der nichts für immer verschwindet – auch nicht die Angst. In einer leichten, zwanglos wirkenden Sprache, so die Jury, entwickele Sandig mit großem Können spannende Charaktere und eine phantastisch-unheimliche Atmosphäre. Sandig, Jahrgang 1979, wuchs in Dresden auf und lebt in Berlin. Sie verfasst Lyrik, Prosa und Hörspiele und brachte ihren ersten Roman „Monster wie wir“, der in den späten Jahren der DDR spielt, 2020 heraus. Gemeinsam mit dem ukrainischen Dichter und Musiker Grigory Semenchuk betreibt sie das Bandprojekt Landschaft und arbeitet an Nachdichtungen aus dem Ukrainischen. Ihre Bücher erscheinen seit 2010 im Frankfurter Schöffling-Verlag.
Leona Stahlmann erhält den Preis für ihre Erzählung „Siebeninselsommer“. Das Projekt widmet sich der Beziehung zwischen einer Mutter und einer Tochter, die in unterschiedlichen Welten und sozialen Verhältnissen leben. Zwischen einem Haus an einem bayerischen See und einer Tankstelle im Norden von Island entsteht eine Spannung, die weit über das Persönliche hinausgeht. „Leona Stahlmann zeigt in einer ruhigen Sprache, wie festgefügte Verhältnisse ins Wanken geraten“, lobt die Jury. Leona Stahlmann, Jahrgang 1988, ist in Fulda geboren und aufgewachsen. Sie lebt als freie Schriftstellerin und Drehbuchautorin am Staffelsee. Ihre Arbeit wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, zuletzt mit einer Nominierung für den Ingeborg Bachmann-Preis 2022.
Jan Koneffke wird für sein Lyrikprojekt „Nachgesang“ ausgezeichnet. Seine Gedichte überzeugten die Jury durch den geglückten Balanceankt von scheinbar unangestrengtem Tonfall und Tiefenerinnerung. Orte, Gegenstände oder auch nur Geräuschen könnten in Koneffkes Versen die Auslöser sein für die Heraufbeschwörung einer ganzen Welt, die im Augenblick entsteht. Innerhalb einer Zeile könnten Koneffkes Gedichte zwischen Humor und Melancholie flirren. Jan Koneffke wurde 1960 in Darmstadt geboren und verbrachte nach einem Villa-Massimo-Stipendium sieben Jahre in Rom. Heute lebt er als Schriftsteller, Publizist und Übersetzer in Gießen, Wien und Bukarest.
Andreas Lehmann erhält den Preis für sein Prosaprojekt „Nichts als ein Name“. Es erzählt von einer Frau, die über den Friedhof ihres Heimatortes spaziert. Ein Besuch bei der schwerkranken Mutter ist Anlass für eine Reflexion über Zugehörigkeit, Erwachsenwerden und Prägung, geschrieben in einer unaufgeregten Sprache und exakt beobachtet, lobt die Jury und ergänzt: „Ein Text, der hohe Erwartungen an den geplanten Erzählungsband ,Lebenszeichen‘ weckt.“ Andreas Lehmann, geboren 1977 in Marburg, hat Lyrik und Prosa in Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht und lebt in Leipzig. Im Herbst 2018 erschien sein Debütroman „Über Tage“.
Fredy Gareis erhält den Preis für sein Romanprojekt „Kindermund“. Es erzählt von vier Kindern, deren Eltern als Arbeitsmigranten nach Rüsselsheim gekommen sind. Die Jury überzeugte das Setting in den 1980er Jahren: „Die Atmosphäre der sich im schleichenden Niedergang befindlichen Arbeiter- und Opelstadt Rüsselsheim kondensiert sich in Gewalterfahrungen im familiären Umfeld. ,Kindermund‘ ist eine Prosa, in der Herkunft, Klasse und Ausbruchssehnsüchte sich auf schlüssige Weise zu einer Coming-of-Age-Geschichte verbinden.“
Tanja Paar erhält den Preis für ihr Romanprojekt „Der Ziegenzirkus“. Es spielt im Kosmos eines Dorfes im Grenzgebiet zwischen Nordhessen und Thüringen. Die Jury überzeugten die unterschiedlichen, aber ausschließlich weiblichen Perspektiven: „Geschickt wechselt Tanja Paar in ihrem Prosatext die Blickwinkel und die Stillagen, um die Konflikte zwischen Neuankömmlingen und Alteingesessenen anschaulich zu machen. Es geht um Selbstoptimierung, Selbstfindung und Selbstüberforderung. Und darum, welche Bedeutung der Begriff Heimat in der Gegenwart haben kann.“
Fatma Bahar Aydemir erhält die Auszeichnung für ihr Romanprojekt „Dschinns“. Es widmet sich in sechs Kapiteln den Lebensgeschichten von Hüseyin und seiner Familie. Hüseyin war in den 1970er-Jahren als so genannter Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Die Jury überzeugte, wie Fatma Aydemir „auf ergreifende und literarisch gekonnte Weise den Tod von Hüseyin beschreibt. Die Biografien, die Fatma Aydemir rekonstruiert, stehen paradigmatisch für mehrere Generationen migrantischer Erfahrungen. Und sie erzählen aus dem Land, in dem wir alle leben“.
Sven Amtsberg erhält den Preis für sein Romanprojekt „Rakete Schmidt“. Es erzählt davon, wie ein Vater und sein Sohn auf einer gemeinsamen Reise verzweifelt versuchen, einander endlich nahezukommen. Sven Amtsberg beeindruckte die Jury „durch seine Sprache, die auf dem schmalen Grat zwischen rasanter Komik und dahinter spürbarem Ernst balanciert. Dass hinter der angeblichen Krankheit des Vaters ein Geheimnis lauert, ist zu vermuten. Auf die Auflösung der Geschichte darf man mit Spannung warten“.
Thomas Hettche wird für sein Romanprojekt „Im Arvenschatten“ ausgezeichnet. Es ist die Geschichte einer Flucht: Ein Mann kommt zurück in ein Dorf in der Schweiz, mit dem seine Kindheitserinnerungen verbunden sind. Er überprüft, was seine Existenz ausmacht: Trost, brüchige Heimat, scheinbar festgefügte Gewissheiten. Die Jury war fasziniert, „wie sich in einer atmosphärisch ungemein fesselnden, bildreichen Sprache Topografie und Bewusstsein zu einem Szenario, in dem das Katastrophische ebenso mitschwingt wie das Schöne, verdichten.“
Nina Bußmann erhält die Auszeichnung für ihr Romanprojekt „Dickicht“. Der Roman erzählt von der Amtstierärztin Ruth Gretter, die eine Betäubungsmittelabhängigkeit entwickelt hat und deren Leben nach einem nächtlichen Sturz in einem Park endgültig aus den Fugen zu geraten droht. Der Text überzeugte die Jury: „Nina Bußmann erzählt in einer klaren Sprache von der Unklarheit eines modernen Bewusstseins zwischen Arbeits- und Lebenswelt, zwischen Freundschaft, Therapien und spirituellen Verlockungen“, heißt es in der Begründung. „In unterschiedlichen Stillagen – Aufzeichnungen, Tagebüchern, erzählende Prosa – entwickelt Bußmann gleich mehrere Charaktere, deren Existenzen sich scheinbar am Rand unserer Wahrnehmung befinden und doch mitten in unserer Gegenwart stehen.“
Julia Wolf für ihr Romanprojekt „Alte Mädchen" und Florian Wacker für sein Romanprojekt „Dikson“
Daniela Dröscher für ihr Romanprojekt „Alle, die mich kennen“ und Maike Wetzel für ihr Romanprojekt „Elly“
2016 Silke Scheuermann für ihr Lyrikprojekt „Zweites Buch der Unruhe“und Norbert Zähringerfür sein Romanprojekt „Wo wir waren“, erschienen 2019.
2015 Gila Lustiger für ihren noch im Entstehen begriffenen Roman „Die Entronnenen“ und Annika Scheffel für ihr Romanprojekt „Hier ist es schön“.
2014 Ulrike Syhafür ihr Romanprojekt „Der Korridor“ und Kurt Drawert für sein Lyrikprojekt „Verständnis und Abfall“.
2013 Ricarda Junge für ihr Romanprojekt „Die letzten warmen Tage“ und Paulus Böhmer für sein Lyrikprojekt „Zum Wasser will / alles / Wasser will weg“. Beide Werke erschienen 2014.
2012 Pete Smith für sein Romanprojekt „Endspiel" und Frank Witzel für sein Romanprojekt „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969". Beide Romane erschienen 2015.
2011 Thomas Gsella für sein Lyrikprojekt „Tiere und Reime“, erschienen 2012 unter dem Titel "Viecher und Verse",und Matthias Göritz für sein Romanprojekt „Das Geschäft mit den Träumen“, erschienen 2012 unter dem Titel "Träumer und Sünder".
2010 Peter Kurzeck für sein Romanprojekt "Vorabend", den fünften Teil seiner epischen Chronik "Das alte Jahrhundert" erschienen 2011, und Andreas Martin Widmann für sein Romanprojekt "Die Glücksparade", erschienen 2012.
2009 Andreas Maierfür sein auf insgesamtelf Bände projektiertes episches Projekt Ortsumgehung, dessen erster Teil "Das Zimmer" 2010 und zweiter Teil "Das Haus" 2013 erschienen sind. Elsemarie Maletzke und Christian Golusdaerhielten die Auszeichnung für ihr gemeinsames Reise-Reim-Projekt "Frau M. grüßt herzlich Dr. Krittel", das 2010 unter dem Titel "Sturm und Tang" erschienen ist.