Wiesbaden/Kassel. Der Neubau des Deutschen Tapetenmuseums am Brüder-Grimm-Platz nimmt Gestalt an: Rund sechs Monate nach der Grundsteinlegung hatte der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) am Dienstag zum Richtfest eingeladen, der im Auftrag des Landes Hessen den Neubau für die historisch einzigartige Sammlung des Deutschen Tapetenmuseums errichtet. Damit liegt die Fertigstellung des Rohbaus im Plan. Der Innenausbau des Gebäudes soll bis Ende 2025 abgeschlossen sein, anschließend erfolgt die Einrichtung. Die Eröffnung soll voraussichtlich Anfang 2026 stattfinden. Das Land Hessen stellt für den Neubau rund 30 Millionen Euro bereit.
Historischer Standort
„Schon jetzt lässt sich erahnen, wie das neue Museum den Brüder-Grimm-Platz bereichern wird – genau gegenüber der Stelle, an der die Geschichte vor 100 Jahren mit der damaligen Arnoldschen Tapetenfabrik begann“, erklärte Ayse Asar, Staatssekretärin im hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst. „Und auch im Inneren des Rohbaus können wir uns nun schon fast vorstellen, welche räumlichen Qualitäten es geben wird. Als Museum für Raumkunst wird das Haus zu einer Zeitreise einladen, von edlen Tapeten des 16. Jahrhunderts bis in unsere Zeit, jeweils mit zeittypischen Möbeln und weiteren Designobjekten in Szene gesetzt. Auf rund 4000 Quadratmetern können Exponate mit teils 17 Metern Länge und drei Metern Höhe so teils erstmals angemessen zur Geltung kommen. Besonders freut mich, dass wir mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einen wichtigen Schritt gehen können auf dem Weg dazu, dass die Einrichtungen des Landes bis 2030 klimaneutral werden.“
Moderner Museumsbau
„Im Bauprojekt finden historische Bausubstanz und neu errichtete Gebäudeteile in einer stimmigen Verbindung zueinander: Es entsteht ein moderner Museumsbau, welcher die denkmalgeschützten Bestandsgebäude harmonisch integriert“, erläutert Heidrun Reisch, Leiterin der LBIH-Niederlassung Nord. „Derzeit werden die neuen Decken in der historischen Torwache fertiggestellt, wo die ehemalige Wohnung der Gebrüder Grimm museal rekonstruiert wird. Am Ende wird der Neubau über passende Ausstellungsräume verfügen, die den Anforderungen der Exponate aus der Tapetensammlung gerecht werden.“
„Unsere in vielerlei Hinsicht reiche Kulturstadt kann sich glücklich schätzen, dass sich das einzigartige Deutsche Tapetenmuseum seit seiner Gründung 1923 in Kassel befindet und die kulturelle Vielfalt und Einzigartigkeit der Stadt stärkt“, sagte Oberbürgermeister Dr. Sven Schoeller. Diese sehr besondere und wertvolle Sammlung berge Zeugnisse einer sechshundertjährigen Zeit- und Kulturgeschichte, des modischen und gesellschaftlichen Wandels sowie besonderer Kunstfertigkeiten. „Mit dem neuen Standort an der Torwache wird das Tapetenmuseum gleichsam die Eingangspforte zum innenstädtischen Museumsquartier bilden, das Kassel zusammen mit den Kulturgütern im Bergpark zu einem der deutschlandweit größten Museumsstandorte macht.“
Kassels Stadtbaurat Christof Nolda ergänzt: „Mit dem Neubau am Brüder-Grimm-Platz gewinnt das Tapetenmuseum seinen herausgehobenen Platz als einzigartiges Museum nun auch städtebaulich zurück.“ Der Neubau mit historisierender Fassade werde ein prägendes Element des umgestalteten Platzes sein. Der Bau schließe sich direkt an das ehemalige Wohnhaus der Brüder Grimm an. Die Nachbarschaft bilde ein attraktives Zentrum der Kasseler Museumslandschaft mit Landesmuseum, Sepulkralmuseum, GRIMMWELT und Hugenottenhaus in unmittelbarer Nähe. Nolda: „Der Brüder-Grimm-Platz von Morgen wird so zu einem belebten Dreh- und Angelpunkt im Westen der Kasseler Innenstadt – und zum idealen Standort für das Tapetenmuseum.“
Wichtiger Schritt für kulturelles Erbe
„Mit der Schaffung eines Neubaus für die Sammlung des Deutschen Tapetenmuseums geht das Land Hessen einen wichtigen Schritt zum Erhalt und zur Vermittlung unseres kulturellen Erbes. Durch Raumanmutungen werden unseren Besucherinnen und Besuchern zukünftig Tapeten, Möbel und historische Kleidung aus unterschiedlichen Epochen präsentiert. Sie werden an Mitmachstationen selbst zu Tapetenkünstlerinnen und -künstlern und erfahren viel Wissenswertes über die Historie der Wanddekoration“, erläutert Prof. Dr. Martin Eberle. „Die documenta-Künstlerin Danica Dakić konnten wir für eine zeitgenössische Kunstinstallation auf Grundlage einer historischen Panoramatapete gewinnen. Das alles wäre nicht möglich ohne zahlreiche Förderer. So sind die Restaurierung und zukünftige Museumspräsentation der kostbaren Schätze der großzügigen Unterstützung des Museumsvereins Kassel, der Kulturstiftung der Länder, dem Verein Deutsches Tapetenmuseum, der Hessischen Kulturstiftung, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Rudolf-August-Oetker-Stiftung zu verdanken.“
Bestand mit 23.000 Objekten
Der rund 23.000 Objekte umfassende Tapeten-Bestand dokumentiert die Entwicklung der Wandverkleidung von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart. In der Ausstellung sollen künftig auch wichtige Ornament- und Mustertypen sowie technische Herstellungsprozesse erläutert werden. Zielgruppen sind nicht nur an Kunst, Wohnkultur und Innenarchitektur Interessierte und Fachleute, sondern alle Menschen, die die vielfältigen Ausdruckformen der Gestaltung von Innenräumen erleben möchten. Auch für die wissenschaftliche Forschung sowie die denkmalpflegerische und restauratorische Arbeit ist die Sammlung außerordentlich wertvoll.
Das Deutsche Tapetenmuseum wurde 1923 vom Verein Deutsches Tapetenmuseum in Kassel gegründet und ist seit 1993 in der Trägerschaft des Landes Hessen. Zunächst war die Sammlung im Roten Palais und ab 1934 auch im Weißen Palais am Friedrichsplatz in Kassel ausgestellt. Ein Teil wurde nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs bis 1974 im zweiten Obergeschoss des Weißensteinflügels von Schloss Wilhelmshöhe gezeigt. Von 1976 bis 2008 waren die Tapeten im Hessischen Landesmuseum in Kassel untergebracht. Seit 2008 ist das Deutsche Tapetenmuseum geschlossen. In diesem Jahr feiert es seinen 100sten Geburtstag.