Eine Forscherin hält mit einer Pinzette einen silbernen Gegenstand

Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur

Vom Fluch der Dimension, Tigermücken und einem Mikroskop mit Teilchenbeschleuniger

1,8 Millionen Euro für mutige Forschungsansätze / Land unterstützt zwei LOEWE-Zentren auch in der Betriebsphase mit 34,4 Millionen Euro

Wiesbaden. In der neuen Förderlinie LOEWE-Exploration für unkonventionelle innovative Forschung erhalten sieben Forschungsprojekte vom 1. Januar 2022 an für die Laufzeit von bis zu zwei Jahren Fördermittel in Höhe von insgesamt rund 1,8 Millionen Euro für ihre mutigen Forschungsansätze. Das hat die LOEWE-Verwaltungskommission auf Grundlage der Empfehlungen des LOEWE-Programmbeirats entschieden. Außerdem werden in der LOEWE-Förderlinie 1 die LOEWE-Zentren DRUID und TBG nach Abschluss der Aufbau- auch in ihrer Betriebsphase weiter vom Land gefördert und erhalten Projekt- und Baumittel in Höhe von insgesamt rund 34,4 Millionen Euro für die Laufzeit von drei Jahren.

Freiheit für mutige, hoch innovative Ideen

 

„Die neue Förderlinie LOEWE-Exploration soll Forschenden die Freiheit geben, mutige, hoch innovative Ideen verfolgen zu können. Denn Wissenschaft muss Wagnisse eingehen und auch mal scheitern dürfen, um Innovation zu erzeugen“, erklärt Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Dass wir mit diesem Förderformat auf großes Interesse stoßen, zeigt sich auch daran, dass für diese zweite Ausschreibungsrunde 40 Anträge vorlagen. Solche neuen, mutigen Ideen braucht es ebenso wie das beharrliche Verfolgen von Ansätzen, das über die Jahre zu überaus erfolgreichen Forschungszentren führt wie den beiden, die jetzt mit Unterstützung aus LOEWE in die Betriebsphase übergehen. Das Beispiel DRUID zeigt beispielhaft, dass es sich der Mut zum Profil und zur Zusammenarbeit der Hochschulen auszahlt und wie wichtig es ist, nicht einfach auf Hypes zu setzen. Mittlerweile vier Hochschulen und zwei Forschungsinstitute erforschen hier gemeinsam neben anderen Erregern wie Dengue, Hepatitis und Ebola auch Corona-Viren. Das war vor drei Jahren noch kein großes Thema in Deutschland – jetzt können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf diesen Erkenntnissen aufbauen.“

Beeindruckt von LOEWE-Zentren DRUID und TBG

 

„Die thematische Breite der für die Förderlinie 5 eingereichten Vorhaben belegt die große Vielfalt der hessischen Forschungslandschaft“, ergänzt der Vorsitzende des Programmbeirats, Prof. Dr. Stefan Treue. „Der Programmbeirat ist beeindruckt von den ausgezeichneten Evaluierungsergebnissen der LOEWE-Zentren TBG und DRUID. Beide Verbünde bearbeiten gesellschaftlich hochrelevante Themen und verbinden dabei die Grundlagenforschung mit dem Transfer wichtiger neuer Erkenntnisse in die Anwendung. Sie überzeugen nicht nur durch hervorragende Forschungsleistungen, sondern auch durch ihre hohe Sichtbarkeit in die wissenschaftliche Community und in die Öffentlichkeit.“

 

Diese Projekte werden über LOEWE-Exploration gefördert

Mit dem Teilchenbeschleuniger auf dem Mikrochip zur Hochenergie-Elektronenmikroskopie

Antragsteller: Dr. Uwe Niedermayer, Technische Universität Darmstadt

LOEWE-Förderung: 243.467 Euro

Moderne Nanotechnologie ermöglicht lasergetriebene Elektronenbeschleuniger auf Mikrochips, in denen wenige Elektronen auf kurzer Strecke viel Energie liefern. Dieses Projekt will mit solchen Elektronenstrahlen ein neues Elektronenmikroskop entwickeln, einschließlich der elektrostatischen Linsensysteme. Ein solches Instrument wäre deutlich kleiner und kostengünstiger als vergleichbare aktuelle Mikroskope und damit nicht nur wissenschaftlich revolutionär, sondern auch von enormer wirtschaftlicher Bedeutung etwa in der Pharmaindustrie.

 

Lab-on-Grid – In-situ-Aufklärung zellulärer Komplexe für die strukturbasierte Wirkstoffentwicklung

Antragsteller: Prof. Dr. Robert Tampé, Dr. Ralph Wieneke, Goethe-Universität Frankfurt

LOEWE-Förderung: 288.679 Euro

Die Prozess- und Geräte-Miniaturisierung bestimmt zukünftige Technologien, auch in den Lebenswissenschaften. Ziel dieses Projektes ist es, hochintegrierte Lab-on-Grid-Plattformen für die Analyse zellulärer Komplexe zu entwickeln. Durch den Einbau verschiedener Funktionalitäten ermöglichen sie es, die Strukturen von fragilen Multiproteinkomplexen bis hin zur atomaren Auflösung zu bestimmen. So können zelluläre Prozesse bei Erkrankungen besser erforscht werden. Mit der Erweiterung auf mikrofluidische Technologien können so künftig das Screening von Wirkstoffen und die medizinische Diagnostik verbessert werden.

 

Einheitliche Detektion und Modellierung von Slums zur Ermittlung von Infrastrukturbedarfen

Antragsteller: Dr.-Ing. John Friesen, Technische Universität Darmstadt

LOEWE-Förderung: 198.472 Euro

Weltweit lebt rund eine Milliarde Menschen in Slums, oft ohne städtische Infrastruktur wie Strom oder Wasser. Um das zu ändern, müsste zunächst die Zahl ihrer Einwohner und ihre Entwicklung bekannt sein. Dafür werden Slums in mehreren Städten mithilfe von Satellitendaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfasst. Dann wird untersucht, ob ihre Entwicklung mit mathematischen Modellen beschrieben werden kann, wie sie sonst für die Beschreibung physikalischer Prozesse verwendet werden. Solche neuen Modelle könnten genutzt werden, um zu verstehen, wie sich Slums und vor allem die Bedürfnisse der Menschen, die darin wohnen, in Zukunft entwickeln werden.

 

Code Buddy: Softwareentwicklung neugedacht durch KI-gestützte Code-Suche und -Adaption

Antragsteller: Prof. Dr. Adrian Ulges, Prof. Dr. Ulrich Schwanecke, Hochschule RheinMain, Wiesbaden

LOEWE-Förderung: 215.283 Euro

In der Entwicklung von Software kooperieren Entwickler als Programmier-Partner miteinander – kann auch ein KI-System eine solche Rolle einnehmen? „Find & Adapt“ lautet der Forschungsansatz, der den Entwicklern relevante Programmstellen aufzeigen und den Programmiercode automatisiert anpassen soll. Wenn das gelingt, kann „Code Buddy“ nicht nur firmeneigenes Wissen effizienter erschließen, sondern auch Millionen von Open-Source-Projekten als Wissensbasis verwenden. Softwareentwicklung wird so zu einem globalen kollektiven Unterfangen mit hohem Potenzial für Qualitäts- und Effizienzverbesserungen.

 

The Frankfurt Prototype

Antragsteller: Dr. Daniel Birnbaum

Städelschule Frankfurt

LOEWE-Förderung: 288.768 Euro

Der Frankfurt Prototyp macht die Stadt zu einem Innovationslabor für ökologisch und sozial nachhaltige Architekturkonzepte für die Metropolregion der Zukunft. Studierende der Städelschule (Architektur und Bildende Kunst) entwerfen und bauen gemeinsam mit Gaststudierenden anderer hessischer Hochschulen und externen Spezialisten den Prototyp. Der effiziente Umgang mit Ressourcen steht dabei im Vordergrund. Das Gebäude wird nicht mehr kosten als ein Einfamilienhaus, soll aber 15 Menschen Raum zum Leben und Arbeiten bieten. Es wird modular konzipiert, damit seine Bestandteile auch bei der Umnutzung leerstehender Gebäude eingesetzt werden können – wie ein Baukasten für die Reaktivierung des Bestands als Gegenmodell zur gängigen Praxis von Abriss und Neubau.

Nanobodies als neuer Ansatz zur biologischen Kontrolle von Stechmücken, Borkenkäfern und anderen Schädlingen

Antragsteller: Prof. Dr. Ernst H.K. Stelzer, Dr. Frederic Strobl, Goethe-Universität Frankfurt

LOEWE-Förderung: 277.779 Euro

Das Projekt legt den methodischen Grundstein dafür, mit Hilfe von Aktin-Nanobodies, kleinen Antikörpern, die Fruchtbarkeit bestimmter Schadinsekten zu verringern. Es geht zunächst um die Asiatische Tigermücke, die Infektionskrankheiten überträgt und sich aktuell in Folge der Erderwärmung in Hessen ansiedelt, sowie den Buchdrucker, eine Borkenkäferart, die Schäden in Millionenhöhe im hessischen Wald angerichtet hat. Hit Hilfe eines Nanobody-Gens wird die Spermatogenese gehemmt, um die Zahl der Nachkommen um rund zwei Drittel zu reduzieren. Da die Nanobodies nur in männlichen Tieren wirken, kann das entsprechende Gen mit Hilfe von weiblichen Tieren in lokalen Populationen verankert werden, um einen Langzeit-Effekt zu erreichen. Anders als Insektizide beschädigt diese Methode die Ökosysteme nicht.

Dimension Curse Detector. Offenlegung und Bewertung hochdimensionaler Konzentrationsphänomene im maschinellen Lernen

Antragsteller: Dr. Tom Hanika, Universität Kassel

LOEWE-Förderung: 287.553 Euro

Dimension Curse, „Fluch der Dimension“, heißt das Zusammenspiel einer Vielzahl von Effekten, die auftreten, wenn maschinelle Lernverfahren auf hochdimensionale Daten angewendet werden, etwa bei Tumoren in der Medizin. Bisher kann dieses Phänomen noch nicht mit Algorithmen berechnet werden. Es ist daher offen, inwieweit es Ergebnisse wissenschaftlicher Anwendungen entscheidend beeinflusst hat. Ziel des Projektes „Dimension Curse Detector“ ist es, eine berechenbare Annäherung des Konzentrationsphänomens zu entwickeln und als Prototyp anzuwenden. So sollen wissenschaftliche Resultate der vergangenen zehn Jahre aus dem Bereich künstliche Intelligenz ausgewertet und auf das Auftreten des Dimensionsfluchs getestet werden.

Diese LOEWE-Zentren werden weiter gefördert

 

DRUID – LOEWE-Zentrum Novel Drug Targets against Poverty-Related and Neglected Tropical Infectious Diseases

1. Förderperiode: 2018 - 2021 (LOEWE-Förderung: rd. 18,8 Mio. Euro)

2. Förderperiode: 2022 - 2024 (LOEWE-Förderung: rd. 16,2 Mio. Euro)

Justus-Liebig-Universität Gießen (Federführung 1. Förderperiode); Philipps-Universität Marburg (Federführung 2. Förderperiode); Goethe-Universität Frankfurt, Paul-Ehrlich-Institut Langen, Technische Hochschule Mittelhessen sowie Fraunhofer Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie Frankfurt (2. Förderperiode)

Koordination: Prof. Dr. Stephan Becker

Das 2018 eingerichtete LOEWE-Zentrum DRUID (Novel Drug Targets against Poverty-Related and Neglected Tropical Infectious Diseases) widmet sich der Bekämpfung so genannter vernachlässigter Tropenkrankheiten, an denen weltweit viele hundert Millionen Menschen schwer erkranken oder sterben und die Armutskreisläufe in Gang halten. Neben Dengue, Hepatitis und Ebola gehören auch Corona-Viren dazu. Der Ansatz verbindet Grundlagenforschung mit translationaler, also anwendungsorientierter Forschung für dringend benötigte Medikamente.

LOEWE-Zentrum Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG)

1. Förderperiode: 2018 - 2021 (LOEWE-Förderung: rd. 17,6 Mio. Euro)

2. Förderperiode: 2022 - 2024 (LOEWE-Förderung: rd. 15,6 Mio. Euro)

Zuzüglich Baumaßnahme: rd. 2,6 Mio. Euro

Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (Federführung), Goethe-Universität Frankfurt, Justus-Liebig-Universität Gießen, Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie Frankfurt sowie Institutsteil Bioressourcen Gießen; Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie Marburg (2. Förderperiode)

Koordination: Prof. Dr. Axel Janke

Biodiversität, die Formen- und Funktionsvielfalt von Lebewesen, ist das Ergebnis von 3,5 Milliarden Jahren Evolution und eines der komplexesten Phänomene, die wir kennen. Die Biodiversitätsgenomik ermöglicht neue Einblicke in ihre Entstehung. Sie zu erkennen und zu verstehen ist essentiell – ganz besonders im Hinblick auf von Menschen verursachte Veränderungen der Umwelt und den damit verbundenen rasanten Verlust der Artenvielfalt. Die Forschungsmission des LOEWE-Zentrums TBG ist es, die genetischen Grundlagen der biologischen Vielfalt zu erschließen, um sie für die Grundlagen- und angewandte Forschung zu nutzen und zugänglich zu machen.

Schlagworte zum Thema