11.11.2024
Der Bau der Kunsthochschule Kassel von Paul Posenenske ist ein herausragendes Beispiel der Nachkriegsmoderne in Hessen, er ist in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen. Der Gebäudeentwurf erfüllt bis heute die besonderen Bedarfe einer Kunsthochschule, insbesondere die Strukturierung in öffentliche und geschützte Atelierbereiche sowie die vielfältigen und der jeweiligen Nutzung zugeordneten Innen- und Außenbereiche werden von Lehrenden und Lernenden gleichermaßen sehr geschätzt. Der kürzlich im Innenhof fertiggestellte Erweiterungsneubau „Kunstraum Kassel“ der Vorarlberger Architekten Innauer-Matt, Finalist des DAM-Preises 2024, zeigt eindrücklich, wie das Denkmal respektiert und gleichzeitig an erweiterte Anforderungen mit unseren heutigen Bauweisen angepasst werden kann.
Aufgrund hoher Energiekosten und Bestrebungen des Klimaschutz soll nun der Altbau energetisch saniert werden. Die bisher erarbeitete Sanierungsplanung sieht den Ersatz zentraler Gebäudeteile (Fassade, Dach, Emporen) vor, womit die Denkmaleigenschaft in Frage steht. Gleichzeitig wird das bisher geplante Konzept mit Neubauanforderungen an Haustechnik und Fassade auch zentralen Nutzeranforderungen nicht gerecht. Der Landesdenkmalrat begrüßt daher das Engagement des Landesamtes für Denkmalpflege in Hessen (LfDH), gemeinsam mit dem zuständigen Landesamt für Bau und Immobilien Hessen (LBIH) Alternativen hierzu zu prüfen.
Für die Sanierungsplanung halten wir folgende Eckpunkte für wesentlich, die auch der Vorbildfunktion des Landes Hessen als öffentlicher Bauherr Rechnung tragen sollten:
- Ein integrativer, ganzheitlicher Planungsprozess mit erfahrenen Planerinnen und Planern und den Nutzerinnen und Nutzern des Gebäudes. Alle Planerinnen und Planer sollten über eine fundierte Expertise bei der denkmalgerechten Sanierung von Nachkriegsbauten verfügen und nicht nur punktuelle Untersuchungsaufträge erhalten, sondern sich ganzheitlich und gemeinsam der Problemstellungen widmen.
- Bei den Zielkonflikten zwischen Denkmalpflege und energetischer Optimierung können und sollten nicht energetische Zielvorgaben heutiger Neubauten zum Maßstab gemacht werden. Zudem sind mögliche Kompensationsmaßnahmen (Energiegewinnung), Anpassung in der Nutzung wie auch die Bilanz Grauer Energie/ Abfallvermeidung in die Betrachtung einzubeziehen.
Das Projekt zeigt exemplarisch, wie problematisch die unreflektierte Anwendung heutiger Vorgaben für Neubauten auf Bestandsgebäude sein kann. Die Vorschriften und Standards zielen in der Regel auf die Optimierung von Einzelfaktoren, was eine ganzheitliche, innovative Planung unter Berücksichtigung der Nutzungen verhindern kann. Nutzungsorientierte Lösungen, die sich im Bestand über Jahrzehnte bewährt haben, sind nicht selten nach aktuellen Richtlinien und Normen unzulässig – sei es etwa bzgl. Brandschutz oder Standsicherheit. Da bei einem Bauwerk die Dinge ineinandergreifen, hat dies Domino-Effekte zur Folge, welche Sanierung und Erhalt extrem erschweren oder gar verhindern. Der Landesdenkmalrat appelliert daher an die Landespolitik, sich für vereinfachte Vorgaben für Bestandsbauten einzusetzen sowie pragmatischere Möglichkeiten zu bieten, Sonderzulassungen oder Kompensationen in diesem Bereich zuzulassen und somit das Bauen im Bestand zu befördern.
Das Bestandsgebäude startet seine CO2-Bilanz durch sein Vorhandensein mit einem positiven Punktekonto – es muss nicht erst erstellt werden. Durch die Sanierung werden Energiekosten und -verbrauch deutlich gesenkt werden – auch wenn einzelne Bauteile keine Neubaustandards erfüllen.