Das Schloss Weilburg im Mondschein

Bewahren und Verantwortung

Der Thementext im Masterplan Kultur Hessen zu Bewahren und Verantwortung.

Hessen verfügt über ein reiches kulturelles Erbe, das von Bau- und Bodendenkmälern aus mehreren Jahrtausenden über vielfältige Museumssammlungen und umfangreiche schriftliche Zeugnisse in den Archiven und Bibliotheken reicht. Dazu kommen die immateriellen, traditionellen Formen kultureller Betätigung vom Chorgesang über die Mundart bis zum Karneval. Bedeutung hat ebenso die Ausübung aller Religionen in ihren vielfältigen Gemeinden, die einen großen Beitrag zum sozialen und kulturellen Leben des Landes darstellt.

Traditionen in Hessen wurden und werden seit jeher durch internationale Einflüsse und durch Zuwanderung mitgeprägt und ergänzt. Diese kulturelle Vielfalt unserer Heimat gilt es zu sichern, zu bewahren, zu erforschen und zu vermitteln. Die Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe bildet eine wichtige Grundlage für das individuelle und gesellschaftliche Selbstverständnis und auch für die Schaffung von Kunst und Kultur heute und in Zukunft.

Eine Person hält mit Handschuhen eine indigene Maske.

Hessens kulturelles Erbe umfasst eine große Bandbreite und zeigt die Geschichte in all ihren Facetten. Es reicht von den keltischen Siedlungen der Bronze- und Eisenzeit bis hin zu Burgen, Schlössern und Gärten der Landgrafen, Kurfürsten und Großherzöge. Es erstreckt sich von den Orten der Revolution von 1848 bis hin zu Denkmälern der Nachkriegszeit. Da sind die Gedenkstätten als Zeugen der NS-Verbrechen, die mit der systematischen Vernichtung von Millionen unschuldiger Menschen einhergingen. Da sind auch die Gedenkstätten des DDR-Unrechts. Zu den steinernen Zeitzeugen tritt das überlieferte mündliche und schriftliche Kulturerbe, also etwa das Brauchtum und das immaterielle Kulturerbe, sowie die Erinnerungen der Heimatvertriebenen, der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter und die Zeugnisse der in der Shoah ermordeten Jüdinnen und Juden. Diese Vielgestaltigkeit macht das Erbe unserer Heimat ebenso herausfordernd wie widersprüchlich. Aus dieser Widersprüchlichkeit ergibt sich die Verantwortung, auch den dunklen Kapiteln der Geschichte unseres Landes gerecht zu werden.

Daher ist die Entscheidung, wie wir mit dem reichen historischen und kulturellen Erbe Hessens umgehen, immer auch mit einer Verantwortung für die Zukunft unseres Landes verbunden. Hessen betrachtet die Beschäftigung mit dem eigenen kulturellen Erbe, dessen Erhalt und Vermittlung als wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Die Landesregierung hat mit dem Projekt der Neuordnung der Museumslandschaft Kassel eines der größten Kulturinvestitionsprogramme in Deutschland aufgelegt. Auch die Sanierung der Landesmuseen in Darmstadt und Wiesbaden und die Programme für die Staatlichen Schlösser und Gärten sowie die Denkmalpflege sollen nicht allein die historische Substanz erhalten, sondern auch zeitgemäße Präsentation und Vermittlung ermöglichen. Schlösser und Museen, Burgen, Klöster, Gärten und Parks spiegeln die reiche Geschichte Hessens wider und sind zugleich lebendige Orte der Bildung und Erholung. Um dieses gebaute Erbe systematisch zu erhalten, hat das Land das HERKULES-Programm aufgelegt.

Mit dem Landesprogramm zum Erhalt des schriftlichen Kulturguts in Archiven und Bibliotheken hat Hessen eine bundesweit viel beachtete Förderstruktur für die Bewahrung des kulturellen Erbes etabliert und zudem als eines der ersten Länder für die Langzeitarchivierung digitaler Verwaltungsunterlagen ein Digitales Archiv beim Hessischen Landesarchiv eingerichtet. Zu dessen Aufgaben gehört auch die zeitgemäße Vermittlung seines Kulturguts. So wurden die umfangreichen Ton- und Schriftaufzeichnungen des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses (1963-1965) sorgsam archiviert und 2017 ins Weltdokumentenerbe aufgenommen.

Erinnerungskulturelle Konzepte und Forschungsarbeiten erstellt auch das Landesamt für geschichtliche Landeskunde, etwa mit seinen jüngsten Projekten zur NS-Euthanasie und zur Arbeitsmigration in Hessen.

Die Erforschung der Herkunft von Sammlungsobjekten gehört zur Kernaufgabe für Kulturgut bewahrende Einrichtungen. Das Land Hessen unterstützt die Provenienzforschung sowohl an seinen eigenen Einrichtungen als auch über den Hessischen Museumsverband an den nichtstaatlichen Museen. Ziel ist es, der Verantwortung gegenüber Opfern von unrechtmäßigem Kulturgutentzug in Hessen besser nachzukommen. Die „3-Wege-Strategie zur Erfassung und digitalen Veröffentlichung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland“ zielt auf größtmögliche Transparenz. Hessen beteiligt sich daran mit dem Landesmuseum Wiesbaden und der Philipps-Universität Marburg. Für den angemessenen Umgang mit historischen Bezügen zur Kolonialzeit in den Einrichtungen im Aufgabenbereich des Wissenschaftsministeriums entwickelt eine Kommission Vorschläge.

Hessen bewahrt inzwischen sieben Welterbestätten, die ganz oder teilweise im Land liegen. Als erstes wurde 1991 das Kloster Lorsch auf die UNESCO-Liste aufgenommen. 1995 folgte die Grube Messel als erstes Weltnaturerbe Deutschlands – auch dank dem Engagement örtlicher Bürgerinnen und Bürger und von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, die diese wertvolle Fossilienlagerstätte davor bewahrten, eine Mülldeponie zu werden. Es folgten das Obere Mittelrheintal (2002), die Grenzen des Römischen Reichs – Obergermanisch-Raetischer Limes (2005), die Alten Buchenwälder und Buchenurwälder – Kellerwald-Edersee (2011) und der Bergpark Wilhelmshöhe (2013) sowie 2021 die Mathildenhöhe in Darmstadt.

Der Hessische Denkmalschutzpreis wird jährlich für denkmalpflegerische Maßnahmen mit Vorbildwirkung verliehen.

Die Vision

Die Zeitzeugen aus Stein, wie sie sich als Gebäude, Ruinen und Denkmäler in den hessischen Städten und Gemeinden zeigen, wollen wir erhalten. Die Bau- und Boden- sowie Gartendenkmäler Hessens will das Land nachhaltig sichern und weiter mit Leben füllen. Auch Stätten der Religionsausübung mit hohem denkmal- oder erinnerungskulturellem Wert will das Land weiter fördern, erhalten bzw. rekonstruieren. Klimaschutz und Denkmalschutz gehören dabei zusammen. Die Chancen, die dem Denkmalschutz durch den Erhalt der in Gebäuden gebundenen „Grauen Energie“ erwachsen, will Hessen in den Vordergrund stellen und konstruktive Lösungen für die Erzeugung erneuerbarer Energien und die energieeffiziente Gebäudesanierung ermöglichen. Das bürgerschaftliche Engagement für den Denkmalschutz ist, gerade im Bereich von Privathäusern, von unschätzbarer Bedeutung für Hessen. Das Land will weiterhin besonders gelungene Restaurierungsprojekte würdigen und unterstützen. Kulturdenkmäler sollen als Veranstaltungs- und Lernorte neu in ihre Umgebung integriert werden. Damit unsere kulturellen Schätze noch viel mehr Menschen begeistern können, unterstützt Hessen auch die Digitalisierung von Museen, denkmalgeschützten Gebäuden und Archiven des Landes mit eigenen Programmen. Die bestehende kulturelle Infrastruktur zu ertüchtigen, um den Anschluss an innovative Vermittlungsformen zu gewährleisten, ist eine ambitionierte Daueraufgabe.

Hessen will sein immaterielles und materielles kulturelles Erbe für die Nachwelt erforschen und erhalten, damit es die Menschen immer wieder neu für die reichhaltige Geschichte Hessens begeistert. Dabei übernehmen für die Erforschung und Bewahrung des kulturellen Erbes in besonderem Maße die Museen, Bibliotheken und Archive sowie die Hochschulen Verantwortung und setzen wertvolle Impulse für einen möglichst niedrigschwelligen und umfassenden Zugang. Das kulturelle Erbe wird in seiner Unterschiedlichkeit so zugänglich gemacht, dass man möglichst viele Menschen erfahren, verstehen und Folgerungen für die Gegenwart und die Zukunft ziehen können.

Gutshof in Bad Sooden-Allendorf mit Solaranlagen auf dem Dach

Das kulturelle Erbe Hessens ist das Erbe aller Menschen, die in unserem Land leben. Es ist die Summe dessen, was vergangene Generationen geschaffen, bewahrt und überliefert haben. Deswegen wird das Land seine Förderung der regionalen Kultur und des Brauchtums fortsetzen. Weil die Gesellschaft einem steten Wandel unterliegt, erachtet Hessen es zudem als wichtig, auch neue Perspektiven auf sein kulturelles Erbe zu formulieren und dadurch junge Menschen und Menschen mit Migrationsgeschichte zu begeistern und in ihre Gestaltung einzubeziehen.

Zu Hessens kulturellem Erbe gehört auch, dass es in unterschiedlichen Zeiten Unrecht und Gräueltaten begangen wurden. Die Folgen der kolonialen Bestrebungen des Deutschen Reiches will das Land aufarbeiten, erforschen und an einem fairen Ausgleich mit Geschädigten arbeiten. Die Aufarbeitung und Wiedergutmachung der Folgen der Verbrechen des NS-Regimes bleibt Hessen ein wichtiges Anliegen. Gedenkstätten gehören zu den Fundamenten unserer Demokratie. Deshalb ist es wichtig, diese Fundamente und damit die Demokratie heute zu stärken. Gleichzeitig will die Förderung von Gedenkstätten durch das Land immer auch das lokale Engagement für eine Erinnerungskultur vor Ort fördern.

Der Klimawandel stellt Hessens historisches Erbe vor besondere Herausforderungen. Insbesondere Gärten und Parks müssen an die veränderten klimatischen Bedingungen angepasst werden, um auch im Zukunft im Sommer zu blühen. Auch andere Fragen des Denkmalschutzes müssen neu gedacht werden, auch vor dem Hintergrund des beschleunigten Ausbaus der erneuerbaren Energien. Das Land will die Schlösser und Gärten und die Denkmalschutzbehörden bei der Lösung dieser Fragen unterstützen und zugleich sicherstellen, dass auch die Kultureinrichtungen an der anstehenden ökologischen Transformation mitarbeiten.

Folgende Handlungsfelder wurden im Beteiligungsprozess für wichtig erachtet. Aus diesen wurden erste Maßnahmenvorschläge abgeleitet, um die im Beteiligungsprozess beschriebenen Aufgaben konkret umzusetzen.

  • Kulturdenkmäler, Liegenschaften und ihre Ausstattung erhalten, erforschen und denkmalgerecht nutzen (z. B. durch Fortführung und Ausbau von HERKULES, Beratung der Einrichtungen zur Einwerbung von Fördermitteln)
  • Erhalt historischer Bausubstanz durch Einbindung des Klimaschutzes (z. B. durch erleichterte Nutzung von erneuerbarer Energie durch Best-Practice-Verfahren, Unterstützung für den Erhalt der Parks und Gärten im Klimawandel).
  • Analog und digital vorliegendes Kulturgut langfristig archivieren und sichern (z. B. analoges und digitales Archiv- und Bibliotheksgut, lokales und regionales Filmerbe sowie analoge und digitale Kunstwerke).
  • Fachpersonal im Bereich des Bewahrens weiterqualifizieren (z. B. durch Mentoringprogramme) und Nachwuchs gewinnen (z. B. FSJ in der Denkmalpflege).
  • Eine bessere Struktur für den Schutz von Kulturgut in Katastrophenfällen und als Teil der zivilen Verteidigung aufbauen.

  • Orte des Lernens (z. B. Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Orte der Jugend- und Erwachsenenbildung) mit Orten des Bewahrens (z. B. Museen, Schlösser, Denkmäler, archäologische Stätten, Archive und Bibliotheken) vernetzen.
  • Barrieren im Zugang zu Kulturgütern abbauen (z. B. im Hinblick auf sprachliche oder soziodemographische Voraussetzungen, aber auch auf größtmögliche physische Barrierefreiheit).
  • Traditionen (z. B. der Musik, der darstellenden Kunst oder der Handwerkstechniken) im Hier und Jetzt verankern (z. B. durch Kooperationen und Vernetzung mit verschiedenen Kulturformen und regionalen Vereinen).
  • Die Auswirkungen von Verbrechen der Kolonial- und NS-Geschichte und nötigenfalls in anderen Kapiteln der hessischen Geschichte aufarbeiten (z. B. durch Stärkung der Provenienzforschung, Einrichtung wissenschaftlicher Forschungsprojekte, Fortführung und Weiterentwicklung der Erinnerungskultur).

  • Bestände in Museen, Schlössern, Archiven und Bibliotheken umfassend aufarbeiten, pädagogische Vermittlungsarbeit unterstützen sowie digitale Präsentationsmöglichkeiten schaffen (z. B. Deutsche Digitale Bibliothek; siehe auch Thema Digitalisierung).
  • Hessens kulturelle Vielfalt sichtbarer machen (z. B. durch ein Kulturgutportal, durch eine Werbekampagne, durch Verankerung in der Kulturellen Bildung, durch Stärkung der museumspädagogischen Vermittlungsarbeit und bessere Verknüpfung mit dem Landtourismus).
  • Bemühungen zum Erhalt von Kulturgut würdigen (z. B. durch Weiterentwicklung des Hessischen Denkmalschutzpreises, Auszeichnung von Best Practices, breitere Förderung von Restaurierungsprojekten).
  • Denkmäler und archäologische Stätten weiter beleben (z. B. durch Integration in die Stadtplanung, barrierefreie Beschilderung, Unterstützung innovativer Veranstaltungskonzepte, Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit).

Folgende Maßnahmen sind Vorschläge für eine konkrete Umsetzung in einer kurz- oder mittelfristigen Perspektive: 

  • Das Landesprogramm HERKULES zur Bewahrung der historischen Liegenschaften des Landes fortführen und ausweiten.
  • Das Landesprogramm zur Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes in Hessen verstetigen.
  • Die Mittel zur Provenienzforschung an den Landesmuseen aufstocken sowie nichtstaatliche Museen in diesem Bereich weiter unterstützen, um die Provenienzforschung von NS-Raubgut weiter voranzutreiben. Die Aufarbeitung der Sammlungsgüter im Bereich koloniale Kontexte durch entsprechende Mittel ebenfalls vorantreiben.
  • Den Aufbau eines Kulturgutportals vorantreiben.
  • Das Landesamt für Denkmalpflege Hessen stärken, damit es seinem deutlich erhöhten und fachlich spezialisierten Beratungsaufwand in Fragen des Klimaschutzes nachkommen kann. In Zusammenarbeit mit der Landesenergieagentur die Stärkung von Klimaschutz und Energiewende in Denkmalschutzfragen voranbringen.
  • Gemeinsam mit der Staatskanzlei und dem Kultusministerium Kooperationen von Schulen mit und Exkursionen zu Gedenkstätten stärken.

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