Angela Dorn unterhält sich mit einer Künstlerin

Kulturförderung und deren Evaluation/Wirtschaftliche Situation der Künstlerinnen und Künstler

Der Thementext im Masterplan Kultur Hessen zu Kulturförderung und deren Evaluation/Wirtschaftliche Situation der Künstlerinnen und Künstler.

Im vielfältigen föderalen Kulturleben Deutschlands ist Hessen ein lebendiger Standort, den die hier lebenden und arbeitenden Künstlerinnen und Künstler prägen. Sie tragen mit ihrem kreativen Schaffen wesentlich zur Lebensqualität in einer offenen und vielfältigen Gesellschaft bei. Kunst und Kultur sind Räume der freien, unabhängigen Entfaltung und Reflexion, in denen alle Menschen sich und ihre individuelle Persönlichkeit weiterentwickeln können. Zudem sind sie von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für Hessen, denn Kultur und kulturelle Vielfalt machen den Standort attraktiv. Diesem Wert und dieser Bedeutung gilt es, gerecht zu werden.

Hessen fördert die Kreativen auf vielfältigen Wegen. Es gibt seit vielen Jahren ausdifferenzierte Förderlinien, projektbezogen und institutionell, in allen Sparten des Kulturlebens, darunter in der Darstellenden Kunst, in der Musik, in der Literatur, im Film, in der Kulturellen Bildung, für Kultur in ländlichen Räumen sowie für die Bildende Kunst. Mit dem Atelierprogramm für bildende Künstlerinnen und Künstler und den Autorenresidenzen hat das Land spezielle Programme für junge Kulturakteurinnen und -akteure in den Metropolen und in ländlichen Räumen entwickelt, um den künstlerischen Nachwuchs zu fördern. Die Hessische Theaterakademie unterstützt Absolventinnen und Absolventen durch Residenzförderungen auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Zuletzt hat das HMWK mit dem Ottilie-Roederstein-Stipendium ein Programm für Künstlerinnen aufgelegt. An den drei Staatstheatern, am Stadttheater Gießen und am Landestheater Marburg wird seit dieser Legislaturperiode eine Mindestgage gezahlt. Die Stipendien und Förderungen der Hessischen Kulturstiftung und des Kulturfonds Frankfurt RheinMain gehören zum großen Portfolio des Landes, ebenso die Nachwuchsförderprogramme der HessenFilm, die sowohl Filmemacherinnen und Filmemachern als auch jungen Produktionsfirmen offenstehen. Während der COVID-19-Pandemie haben umfangreiche Förderprogramme einen Beitrag zur Wahrung der kulturellen Vielfalt Hessens geleistet.

Die Vision

Die Leistung der Kulturakteurinnen und -akteure soll anerkannt, wertgeschätzt und ihrer Qualität entsprechend vergütet werden. Wichtig sind eine transparente Kulturförderung und gute Arbeits- und Lebensbedingungen für Künstlerinnen und Künstler. Verständnis für die künstlerische Arbeit und ihren Wert ebenso wie Wertschätzung im Umgang mit Künstlerinnen und Künstlern sind Voraussetzungen dafür. Nur in einer angemessenen wirtschaftlichen Situation finden Kunstschaffende die kreativen Freiräume, können kulturelle Vielfalt und Exzellenz entwickeln und die Kultur als Ganzes kann so einen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Eine qualitätsorientierte, zielgerichtete, nachhaltige und bedarfsgerechte Förderung ist ein wichtiger Baustein dafür. Kriterien für die leistungs- und qualitätsorientierte Förderung des Landes werden in den jeweiligen Förderrichtlinien festgelegt. Ein wichtiges Kriterium dabei ist eine faire Entlohnung für die Kreativen, die zum Beispiel über verbindliche Honoraruntergrenzen sichergestellt werden kann. Zugleich bestehen zwischen Förderinstrumenten und dem insgesamt möglichen Fördervolumen Wechselwirkungen, die es stets zu berücksichtigen gilt. Das Land will hier im engen Austausch mit den Kulturakteuren die Prioritäten so setzen, dass sich einerseits die wirtschaftliche Lage der Künstlerinnen und Künstler nachhaltig bessert, die Kulturförderung in ihrer Vielfalt jedoch erhalten bleibt.

 Hessen will Künstlerinnen und Künstlern ein Zuhause geben und ihre wirtschaftliche Situation nachhaltig sichern. Dazu pflegt das Land den Diskurs mit den Künstlerinnen und Künstlern sowie Institutionen über das Verhältnis zwischen kulturpolitischen Zielen und der Freiheit künstlerischer Praxis.

Die COVID-19-Pandemie hat die strukturellen Schwächen der hessischen Kulturszene offengelegt und wie unter einem Brennglas sichtbar gemacht. Aus dieser Ausnahmesituation die richtigen Lehren zu ziehen, wird eine der Aufgaben für die kommenden Jahre sein. Die Resilienz des Kulturbetriebs – einschließlich der Akteurinnen und Akteure der Kulturellen Bildung – will das Land erhöhen und für seine Förderungen Lehren aus der Pandemie ziehen. Bei der Bewältigung der durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ausgelösten Energiekrise und bei der Transformation zur CO2-Neutralität will das Land die Kultureinrichtungen gemeinsam mit dem Bund unterstützen.

Eine Künstlerin in ihrem Atelier, sie hält einen Zeichenblock in der Hand und schaut ernst

Die für Kulturakteurinnen und -akteure wesentlichen Sicherungssysteme liegen in der Zuständigkeit des Bundes. Hier will Hessen sich – wo immer sinnvoll möglich – für eine Verbesserung einsetzen. Die Förderung von Kultur und die Erfüllung des in der Hessischen Verfassung verankerten Staatsziels Kultur erfüllt das Land gemeinsam mit der kommunalen Familie mit Leben. Eine gezielte und wirksame Kulturförderung kann nur im Zusammenspiel mit den Städten und Gemeinden geschehen. Auch die Fördermöglichkeiten des Bundes und der EU bieten für Kulturakteurinnen und -akteure zusätzliche Chancen. Im besten Fall bauen die verschiedenen Förderlinien aufeinander auf und ergänzen sich.

Dort, wo Hessen mit eigenen Mitteln fördert, will das Land die Kommunikation von Förderrichtlinien und -programmen sowie die Vergabe von Fördermitteln so transparent wie möglich gestalten. Dabei sollen künftig auch Kooperationen und Konzepte stärker als bisher gefördert werden können. Das Land versteht sich als Ermöglicher eines vielfältigen kulturellen Lebens und will seine Förderpraxis im Spannungsfeld zwischen dem Haushaltsrecht und dem verständlichen Wunsch der Kulturakteurinnen und -akteure nach möglichst unbürokratischem Vorgehen sowie einer planbareren Förderung so lebensnah wie möglich gestalten. Dabei soll ein schlanker, transparenter Prozess im Mittelpunkt aller Anstrengungen stehen, Doppelstrukturen sollen unbedingt vermieden werden. Die Arbeitsweise staatlicher Institutionen und kultureller Akteurinnen und Akteure unterscheidet sich naturgemäß, deshalb ist es nötig, im Dialog Verständnis für die jeweiligen Herangehensweisen zu schaffen, unnötige Hürden abzubauen und die Arbeit für beide Seiten zu vereinfachen. So entsteht auch Nachvollziehbarkeit für Förderentscheidungen des Ministeriums, die eine Basis ist für eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Zuwendungsnehmenden und -gebenden. Zugleich wollen wir Jurys als geschützte Räume für Abwägungsentscheidungen erhalten und stärken. Die Expertise der Jurymitglieder verstehen wir als Garant für an größtmöglicher Qualität orientierte Förderentscheidungen. Jurys wollen wir repräsentativ für die jeweils zu fördernde Sparte in ihrer gesamten Breite mit unterschiedlichen Expertinnen und Experten besetzen.

Folgende Handlungsfelder wurden im Beteiligungsprozess für wichtig erachtet. Aus diesen wurden erste Maßnahmenvorschläge abgeleitet, um die im Beteiligungsprozess beschriebenen Aufgaben konkret umzusetzen.

  • Überblick über Förderangebote und Förderrichtlinien des Landes für Antragstellende verbessern (z. B. durch ein Hessisches Förderboard, eine zentrale und noch besser als bisher strukturierte Übersicht auf der Webseite des HMWK o. ä., durch Etablieren von Förderlotsen, Bereitstellung von Informationen in barrierefreier Form sowie in englischer Sprache, Stärkung digitaler Beratungsangebote).
  • Transparenz über die Förderentscheidungen des Landes und die wirtschaftliche Situation der Künstlerinnen und Künstler und der ehrenamtlich geführten Kultur- und Musikvereine in Hessen herstellen (z. B. durch einen regelmäßig fortgeschriebenen Kulturbericht der Landesregierung mit spartenbezogener Auswertung).
  • Kulturförderung des Landes regelmäßig evaluieren (z. B. durch Diskussion mit den Kulturverbänden und der freien Szene, durch formale Evaluation oder regelmäßige Diskussion über nötige Anpassungen der Kulturförderung in einem Kulturbeirat).
  • Eine Studie zur wirtschaftlichen Situation der Künstlerinnen und Künstler in Hessen durchführen.

  • Antragstellung, -bearbeitung und -bescheidung beim HMWK vereinfachen (z. B. durch Nutzung digitaler Möglichkeiten).
  • Antrags- und Prüfungsverfahren für kleine und mittlere Vorhaben vereinfachen (z. B. durch Prüfung, welche Erfahrungen anderer Bundesländer in den Diskurs mit dem Finanzministerium und dem Rechnungshof eingebracht werden können und welche Instrumente sich auf Hessen übertragen lassen, sowie durch Änderungsvorschläge zur Landeshaushaltsordnung an den Gesetzgeber).
  • Prüfung von Gestaltungsmöglichkeiten zur besseren Planbarkeit der Förderung für Kulturakteurinnen und -akteure durch längerfristige und flexibler einsetzbare Förderung im Dialog mit dem Hessischen Ministerium der Finanzen und dem Hessischen Rechnungshof.
  • Fachverbände und Zusammenschlüsse der freien Szene zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben weiterhin unterstützen (z. B. bei der Bereitstellung von Beratungs- und Weiterbildungsangeboten, zur Beantragung sowie Abrechnung von Projekten durch die Landesregierung).
  • Hessische Kulturinstitutionen beim Zugang zu EU-Förderung unterstützen (z. B. durch bessere Vernetzung mit den regionalen Förderberatungsstellen der Europäischen Union, den Europe Direct Information Desks, Bereitstellung von Informationen auf der Webseite des HMWK).
  • Staatliche und nichtstaatliche Kulturinstitutionen bei der Transformation zur CO2-Neutralität unterstützen (z.B. durch Beratungsprogramme zur Energieeffizienz, den Austausch von Best Practices o.ä.)
  • Auf Bundesebene für die Kombinierbarkeit von Förderungen einsetzen und Bundes- und Landesförderung so gut wie möglich aufeinander abstimmen.

  • Fachverbände und Zusammenschlüsse der freien Szene an Förderprogrammen beteiligen (z. B. durch Einbindung der Fachverbände und Zusammenschlüsse der freien Szene bei der Besetzung von Jurys, durch die Berücksichtigung von Stellungnahmen der Fachverbände sowie von Zusammenschlüssen der freien Szene zu Förderprogrammen).
  • Förderinstrumente des HMWK für den Nachwuchs als Unterstützung auf dem Weg in die Professionalität ausweiten (z. B. durch Stärkung der Talentförderung, durch Residenzprogramme und Stipendien für den Berufseinstieg, Weiterbildungsangebote, Weiterentwicklung der HTA-Absolventenprogramme).
  • Finanzielle Unterstützung für Kulturakteurinnen und -akteure aller Altersgruppen weiter verbessern (z. B. durch Erweiterung von Stipendienprogrammen, durch Ausbau der Förderung von Künstlerresidenzen, Weiterentwicklung des Atelierprogramms).
  • Geplante Förderprogramme möglichst früh kommunizieren.
  • Fördermodelle aus der Zeit der COVID-19-Pandemie (z. B. Konzeptionsförderung, Basisförderung) überprüfen und fortführen, wenn sie erfolgreich waren.
  • Prüfen, inwieweit Aspekte der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit künftig eine Rolle bei der Förderung von Kultur spielen können (z.B. durch Wahl regionaler Anbieter, Unterstützung von Maßnahmen zur CO2-Reduktion).

  • Einhaltung von Honoraruntergrenzen durchsetzen und angemessene Entlohnung für Erfahrung bei der Förderung berücksichtigen (z. B. durch Übernahme der Honorarempfehlungen der Fachverbände in die Förderrichtlinien oder die Nebenbestimmungen, Prüfung eines Fonds zur Ausschüttung von Ausstellungshonoraren in den staatlichen Einrichtungen).
  • Auf Bundesebene für eine bessere soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern einsetzen (z. B. Reform der Künstlersozialkasse und der Arbeitslosenversicherung, Ermöglichung von hybriden Beschäftigungsverhältnissen).
  • Arbeitsräume, Werkstätten, Ateliers und Proberäume weiter zu attraktiven Konditionen bereitstellen (z. B. durch Fortführung und Stärkung des Atelierprogramms, siehe zudem Kapitel „Kultur in den ländlichen Räumen“).
  • Selbstorganisation von Künstlerinnen und Künstlern unterstützen (z. B. durch Unterstützung von Netzwerkbildung und genossenschaftlichem Arbeiten, durch Gruppenförderung).

Folgende Maßnahmen sind Vorschläge für eine konkrete Umsetzung in einer kurz- oder mittelfristigen Perspektive: 

  • Eine wissenschaftliche Studie in Auftrag geben zu den Auswirkungen der neuartigen Förderansätze, die vom Land Hessen in der COVID-19-Pandemie angewandt wurden. Ihr Ziel soll es sein, Erfahrungen daraus für die Kulturförderpraxis fruchtbar zu machen.
  • In einen Dialogprozess mit dem Hessischen Rechnungshof, dem Finanzministerium und dem Haushaltsgesetzgeber zur Vereinfachung der Förderverfahren im Bereich der Kulturförderung eintreten.
  • In einem Pilotprojekt modellhaft die Gründung von Kulturgenossenschaften unterstützen, um Erfahrungen im Sinne von Best Practice zu sammeln.
  • Die relevanten Kulturförderrichtlinien des Ministeriums im Dialog mit den Kulturverbänden so überarbeiten, dass Honoraruntergrenzen Berücksichtigung finden.
  • Gemeinsam mit der Landesenergieagentur ein Beratungsprogramm zur Verbesserung der Energieeffizienz mit speziellem Zuschnitt für die Kultureinrichtungen auf den Weg bringen.
  • Kulturberatung, die das Land während der Zeit der COVID-19-Pandemie initiiert hat, verstärken und verstetigen.
  • Etablieren spezifischer Förderungen für verfolgte Künstlerinnen und Künstler, die sich in Hessen niedergelassen haben.

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