Illustration aus dem Gero-Codex: Zwei Männer sitzen sich an einem Schreibpult gegenüber.

Gero-Codex

Kaum eine Epoche in der Geschichte der Buchmalerei hat so prächtige Handschriften hervorgebracht wie das Zeitalter der Ottonen. Eines der bedeutendsten Zentren der Buchkunst des 10. und 11. Jahrhunderts war das Inselkloster Reichenau im Bodensee. Im Auftrag der höchsten Kreise der damaligen Zeit – Kaiser, Könige, Reichsbischöfe und vornehmer Adeliger – schufen die Mönche des Klosters erlesene Prachthandschriften, die für die großen Kirchen des Reiches bestimmt waren. Als Inspirationsquellen dienten ihnen die karolingische Buchmalerei der Hofschule Karls des Großen und altchristliche sowie byzantinische Vorlagen. Zehn dieser prunkvoll bebilderten Handschriften wurden 2003 von der UNESCO als Weltdokumentenerbe anerkannt. Dazu gehört auch der Gero-Codex, der heute in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt aufbewahrt wird.

Der Gero-Codex ist ein glanzvolles Exemplar der Buchkunst des 10. Jahrhunderts. Seinen Namen verdankt das Evangelistar, das die Evangelientexte für den Gottesdienst in der Ordnung des Kirchenjahres enthält, ihrem Stifter, dem späteren Kölner Erzbischof Gero (969 – 976). Gero, aus vornehmer Familie stammend, war Domherr und Domkustos in
Köln sowie Kaplan des Kaisers. Da er sich weder im Widmungstext der Handschrift als Bischof bezeichnet noch im Widmungsbild im bischöflichen Ornat dargestellt ist, ist davon auszugehen, dass der Codex vor seinem Amtsantritt 969 entstanden ist. Auch der Schreiber und Illustrator ist durch Text und Bild bekannt: Es handelt sich um den Mönch Anno, der 958 im Kloster als Subdiakon geführt wird. Die Handschrift repräsentiert damit die älteste Gruppe der Reichenauer Malerschule, die für die Wiederbelebung prunkvoller liturgischer Handschriften nach der Karolingerzeit verantwortlich war.

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