Wiesbaden/Berlin. Um Antisemitismus an Hochschulen aktiv entgegenzutreten und das Bewusstsein für jüdisches Leben sowie die Geschichte und Kultur des Judentums zu stärken, sind hochschulseitige Mitglieder der Kultusministerkonferenz (KMK) und des Netzwerks jüdischer Hochschullehrender jetzt zu einem ersten Austausch zusammengekommen.
Das Netzwerk jüdischer Hochschullehrender hatte sich im Januar 2024 als Reaktion auf den seit dem 7. Oktober 2023 offen zu Tage tretenden Antisemitismus an Hochschulen gegründet. Dem Netzwerk gehören mittlerweile mehr als 140 Lehrende aus Österreich, der Schweiz und Deutschland an. Der Austausch mit der Kulturministerkonferenz war auf Initiative des Hessischen Ministers für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels, zustande gekommen.
„Es gibt jüdische Studierende und Lehrende, die derzeit dem Campus fernbleiben müssen, viele verbergen ihre jüdische Identität“, erläutert Julia Bernstein, Professorin an der Frankfurt University of Applied Sciences und Gründungsmitglied des Netzwerks, die aktuelle Situation: „Der israelbezogene Antisemitismus gefährdet das jüdische Leben, wie der Beschluss der Mitgliedshochschulen der Hochschulrektorenkonferenz aus dem Jahre 2019 bereits deutlich machte. Demgemäß sind die Forderungen zum Boykott israelischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder die Relativierungen und Kontextualisierungen des Massakers am 7. Oktober 2023 eindeutig antisemitisch.“
Das Netzwerk bietet jüdischen Studierenden Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner und sucht zugleich die Zusammenarbeit mit Hochschulleitungen, Statusgruppen und der Wissenschaftspolitik, um wirksame Konzepte und Maßnahmen zur Antisemitismus-Bekämpfung zu entwickeln. „Dabei gilt es, auch neue Formate zu erproben, mit denen man junge Menschen wirklich erreicht“, so Bernstein weiter.
„Eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus an den Hochschulen kann nur unter aktivem Einbezug der Perspektive der jüdischen Hochschulmitglieder gelingen“, betonte Wissenschaftsminister Timon Gremmels. „Deshalb ist das Netzwerk jüdischer Hochschullehrender für uns ein wichtiger Ansprechpartner, mit dem wir auch zukünftig den Austausch suchen werden. Die Hochschulen müssen zugleich den schwierigen Balanceakt bewältigen, unmissverständlich gegen Antisemitismus vorzugehen und zugleich Räume für einen rationalen und wissenschaftsgeleiteten Dialog zu gestalten, in dem unterschiedliche Positionen und Perspektiven zu Wort kommen können.“
Wissenschaftsministerin Karin Prien: „Der um sich greifende Antisemitismus seit dem 7. Oktober des vergangenen Jahres betrifft nicht nur Studierende, sondern auch die jüdischen Lehrenden an unseren Hochschulen. Die Freiheit von Forschung und Lehre sind in Gefahr, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Lehrende sich nicht mehr in den akademischen Diskurs trauen, weil sie wegen ihrer Herkunft oder ihrer Religion angefeindet werden. Es ist daher nicht nur wichtig, Solidarität zu zeigen, sondern auch die Aufgabe aller Hochschulen für jüdische Lehrende ein Schutzraum für sicheres Lehren und Forschen zu sein.“
Die Kultusministerkonferenz (Hochschule) hatte im Dezember 2023 den „Aktionsplan gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit“ beschlossen, der Hochschulen Orientierung und klare Leitlinien gibt.