Wiesbaden. Vier hessische Traditionen sind derzeit im Rennen um die Aufnahme ins das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes: Die hessische Apfelweinkultur, die Fastnachtsbräuche der Herbsteiner Foaselt, die Technik des Tabakanbaus und der Zigarrenverarbeitung am Oberrhein und das Uhrmacherhandwerk. Derzeit berät das Expertenkomitee Immaterielles Kulturerbe bei der Deutschen UNESCO-Kommission über diese und weitere bundesweite Bewerbungen. Das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes würdigt kreative und inklusive Kulturformen und deren reichen Schatz an Erfahrungswissen.
Bisher nur Kratzputz im Verzeichnis
„Bisher ist nur eine rein hessische Tradition im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes vertreten: der hessische Kratzputz. Es wird also höchste Zeit, dass wir zeigen, welche großartigen Bräuche und Kulturformen sich noch in unserem Bundesland finden“, erläutert Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn. „Alle vier Vorschläge haben ihre besondere Geschichte und drücken regionale Bräuche aus, die vor allem durch das Engagement von vielen Ehrenamtlichen lebendig gehalten werden. Ich drücke allen die Daumen, dass sie die weiteren Hürden nehmen und wir uns nächstes Jahr über weitere hessische Vertreter im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes freuen können.“
Apfelwein: Teil hessischer Lebensart
Der Antrag auf Aufnahme der hessischen Apfelweinkultur wurde vom Verein Apfelwein Centrum Hessen gestellt. Er stellt den Apfelwein als zentralen Bestandteil hessischer Lebensart dar, der von vielen Veranstaltungen und fachlichem Knowhow am Leben gehalten wird: So gibt es neben den vielen Apfelweinwirtschaften eine Apfelwein- und Obstroute, das Apfelweinfestival in Frankfurt und den „Goldenen Apfel“, der Engagement im Bereich des Erhalts von Streuobstwiesen ehrt.
Herbsteiner Foaselt: Vereinigung von Traditionen
Die Herbsteiner Foaselt versammelt seit Jahrhunderten die Menschen am Rosenmontag in Herbstein im Vogelsbergkreis, schreibt die Fastnachtvereinigung Herbstein. Im Mittelpunkt steht ein Umzug mit Figuren, die in verschiedenen Epochen entstanden sind – etwa der „Bajazz“ mit Springerzug, Erbsenstrohbär und Siebpferdchen. Die Foaselt vereint Fastnachtsbräuche aus Oberhessen, der von Wanderarbeitern mitgebrachten Tiroler Fastnacht und dem rheinischen Karneval.
Tabakanbau: Gelebte Geschichte in Lorsch
Die Städte Lorsch und Hatzenbühl machen sich für eine Aufnahme der Technik des Tabakanbaus und der Zigarrenverarbeitung am Oberrhein stark. Sie ist bis heute das wichtigste Kapitel der Unternehmensgeschichte der Städte, deren wachsender Wohlstand auf Tabak gründet. Das Dorf beherbergte zwischen 1861 und 1983 insgesamt über 50 kleinere und 5 größere Zigarrenfabriken. Vor allem in den Erzählungen der Menschen ist die Bedeutung des Tabaks und das Wissen darum lebendig. Das unterstützen die umliegenden Museen mit Führungen, Ausstellungen, Seminaren und Workshops, Bibliotheksbestände und Depotsammlungen.
Uhrmacherhandwerk: Uralte Fertigkeiten
Die Bewerbung für die Aufnahme des Uhrmacherhandwerks hat der Zentralverband für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik eingereicht. Das Handwerk hat sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts von den Schlossern abgespalten, wurde eigenständig und verfügt somit über eine 800 Jahre alte Tradition. Im Laufe dieser Zeit wurden unzählige Uhren und astronomische Instrumente von Uhrmachern entworfen, konstruiert und gefertigt. Viele dieser Zeugnisse meisterlicher Uhrmacherkunst und wissenschaftlicher Innovationskraft befinden sich heute in den fast 400 Uhrenabteilungen deutscher Museen, in Schlössern, Kirchen, historischen Bauten, öffentlichen und privaten Sammlungen.
So läuft die Bewerbung ab
Für die Aufnahme ins Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes treffen die Bundesländer eine Vorauswahl. Dann prüft das Sekretariat der Kultusministerkonferenz die Anträge und übermittelt sie an das Expertenkomitee Immaterielles Kulturerbe, das von der Geschäftsstelle Immaterielles Kulturerbe der Deutschen UNESCO-Kommission einberufen wird. Die Empfehlungen des Expertenkomitees müssen von der Kulturministerkonferenz im Benehmen mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien bestätigt werden. Mit einer Entscheidung ist im kommenden Frühjahr zu rechnen.