Stellungnahme des Gremiums

Hier lesen Sie die Stellungnahme des Gremiums zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta15. Dies dient nur der Information. Die Verantwortung für den Inhalt trägt ausschließlich das Gremium selbst.

Die mehrfachen antisemitischen Vorfälle auf der documenta15 haben den Aufsichtsrat der documenta dazu veranlasst, eine fachwissenschaftliche Begleitung einzuberufen. Die fachwissenschaftliche Begleitung hat den Auftrag, zur Aufarbeitung von antisemitischer (Bild-)Sprache in der laufenden Werkschau beizutragen, in kritischer Distanz zu prüfen, wie es zu diesen Vorfällen kommen konnte und Vorschläge zu erarbeiten, wie mit diesen Fällen in der laufenden documenta umgegangen und eine Wiederholung in der Zukunft ausgeschlossen werden kann.

Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Verlautbarungen der letzten Tage möchten wir zum Auftakt unserer Arbeit zwei Punkte hervorheben, die wir als unumstößliche Grundlage unserer Arbeit betrachten: 

1. Die Ausstellung von Exponaten mit antisemitischer (Bild-)Sprache in der documenta wirft nicht nur die abstrakte Frage nach den Grenzen von Kunst- und Meinungsfreiheit auf, sondern betrifft viele Menschen ganz konkret. Die öffentliche Präsentation antisemitischer Werke und der Umgang damit werden von der jüdischen Gemeinschaft zurecht als empörend und in ihren potenziellen Konsequenzen als bedrohlich empfunden. Umso bedauerlicher ist es, dass die Wirkung der Debatte auf die jüdische Gemeinschaft in den öffentlichen Stellungnahmen der documenta bislang kaum berücksichtigt wurde. Wir werden uns als Gremium dafür einsetzen, dass jüdische Perspektiven bei der Aufarbeitung der Vorgänge bedacht und eingebunden werden.

2. Wir begrüßen die öffentlich kommunizierte Offenheit der Geschäftsführung gegenüber einer fachlichen Beratung durch das Gremium. Wir sind jedoch irritiert, dass die Leitung der documenta trotz dieses Bekenntnisses zur Offenheit in dem Moment, in dem das Gremium eingesetzt wird, das ihre Arbeit begleiten soll, wesentliche Fragen des Umgangs mit antisemitischer Kunst festzulegen scheint. Die von ihr vertretene Position, dass weder weitere Kunstwerke aufgrund antisemitischer Inhalte entfernt werden müssten noch eine systematische Prüfung der Werke notwendig sei, widersprechen einem fachlichen und ergebnisoffenen Dialog. Wir behalten uns das Recht vor, zu diesen Fragen eine eigenständige Einschätzung zu formulieren.

Prof. Dr. Nicole Deitelhoff (Vorsitz)
Prof. Dr. Marion Ackermann
Prof. Dr. Julia Bernstein
Marina Chernivsky
Prof. Peter Jelavich
Prof. Dr. Christoph Möllers
Prof. Dr. Facil Tesfaye