Jurybegründung: "Leben oder Weiterleben. Ein Leben auf Pause. An einem Ort, der Heimat ist. Der Heimat war. An einem Ort, an dem ein terroristisches Verbrechen das Zusammenleben für immer verändert hat. Bleiben? Weitermachen? Julian Vogel zeigt in seinem Film das Leben der Opfer und Hinterbliebenen des rechtsextremistischen Terroranschlags von 2020 in der Hanauer Neustadt. Er zeigt, ohne zu kommentieren, lässt die Betroffenen sprechen, zeigt ihre Anstrengung, trotz allem weiterzumachen. Gegen das Vergessen, für ein Leben in Freiheit, Gleichheit und den Kampf um Anerkennung und Gerechtigkeit. Gegen ein „irgendwie weiter so“. Rechtes Gedankengut tötet. Rechtsextremismus ist ein Verbrechen, dass ein friedliches-freies Leben unmöglich macht. Neun junge Menschen wurden hier, in ihrer Heimat, kaltblütig ermordet. Und die Sprachlosigkeit darf nicht das letzte Wort behalten. „Say their names“: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Julian Vogel findet hervorragende Bilder. Er zeigt Stillstand, wortwörtlich. Er lässt Wut und Verzweiflung spüren. Die Bilder sind quälend, weil sie das Leben auf Pause erlebbar machen. Vogel gibt den Opfern und Hinterbliebenen Raum und Zeit, lässt teilhaben an der Trauer um den Sohn, den Bruder, aber auch an den schönen Erinnerungen an den besten Freund. Der Blick ist unverstellt und tut oft weh - das muss auch so sein. Und er offenbart auch die eigene Hilflosigkeit des Filmemachers gegenüber Schmerz, Wut und Verzweiflung. Sie verschwinden nicht einfach, sie bleiben – für immer. Dies ist schwer zu ertragen. Aber nur, wenn wir hinsehen, zuhören und endlich handeln und dem erstarkenden Rechtsextremismus entschieden entgegentreten, nur dann kann ein gemeinsames Weiterleben für uns Alle gelingen."