Diskussionspunkte zum Kodex für gute Arbeit

Die 14 staatlichen Hochschulen in Hessen haben sich in einem „Kodex für gute Arbeit“ auf Grundsätze für eine bessere Beschäftigungsqualität verpflichtet. Entstanden ist er in einem vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst moderierten Diskussionsprozess mit den Personalvertretungen, also den gewählten Vertreterinnen und Vertretern der Interessen aller Beschäftigten an den Hochschulen. Der Hauptpersonalrat sowie die Personalräte der TU Darmstadt und der Städelschule haben dem Kodex zugestimmt.

Dass Hessen diesen Weg einer Vereinbarung geht, in der sich die Hochschulen verpflichten, hat unter anderem rechtliche Gründe: Bundesgesetze lassen wenig Spielraum für gesetzliche Regelungen der Länder; das musste die Landesregierung in Berlin erfahren, deren Hochschulgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht beklagt wird. Viele Forderungen, die insbesondere Vertreterinnen und Vertreter des wissenschaftlichen Mittelbaus erheben, können nur auf Bundesebene verbindlich in Gesetzesform gegossen werden. Vereinbarungen wie der Kodex können dagegen über Bundesgesetze ebenso wie über Tarifverträge hinausgehen – und das tut der „Kodex für gute Arbeit“ an vielen Stellen. Wenn im kommenden Jahr die Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes des Bundes ansteht, ist Hessen daher gut vorbereitet und kann flexibel reagieren.

Es ist verständlich, dass Vertreterinnen und Vertreter bestimmter Beschäftigtengruppen und auch die Personalvertretungen insgesamt nicht alle ihre Wünsche erfüllt sehen. Wer im Kodex allerdings jeglichen Fortschritt negiert, verkennt leider die Verhandlungsleistung auch der Personalvertretungen und die zahlreichen nachweislichen Verbesserungen. Eine differenzierte Analyse wäre für produktive politische oder hochschulinterne Auseinandersetzung wichtig. Denn die Unterschrift unter den „Kodex für gute Arbeit“ ist nicht das Ende, sondern der Anfang weiterer konstruktiver Gespräche zwischen den Beteiligten; diese sieht der Kodex ausdrücklich vor.

Zu einigen der wichtigsten Punkte der Diskussion:

Dauerstellen für Daueraufgaben: Der Kodex hält fest, dass Personal, das überwiegend Daueraufgaben wahrnimmt, grundsätzlich unbefristet beschäftigt wird. Dabei wird der bislang unbestimmte Begriff „Daueraufgabe“ konkretisiert: Es handelt sich unter anderem Aufgaben in Wissenschaftsmanagement, Fachbereichsgeschäftsführung, Arbeitssicherheit, Tierschutz, Laborleitung und Gerätebetreuung sowie Studiengangskoordination, aber auch um die Lehrkräfte für besondere Aufgaben. Der Kodex legt grundsätzlich fest, dass Teilzeitbeschäftigungen nur in begründeten Fällen oder auf Wunsch der Beschäftigten möglich sind. Der Stellenumfang soll mindestens 50 Prozent betragen; Teilzeitbeschäftigte werden bei der Besetzung von Vollzeitstellen bevorzugt berücksichtigt. Während der Tarifvertrag sachgrundlose Befristungen zulässt, schließt der Kodex sie grundsätzlich aus. Der Tarifvertrag lässt zudem für administrativ-technisches Personal viele mit Sachgrund befristete Kettenverträge über sehr lange Zeiträume zu; der Kodex schließt diese mit der Obergrenze von acht Jahren aus.

Befristung von Qualifikationsstellen: Um es deutlich zu sagen: Das Wissenschaftssystem könnte nicht dauerhaft sinnvoll funktionieren und innovativ bleiben, wenn allen Promovierenden und Post-Docs Dauerstellen angeboten werden müssten. Unbestritten ist aber, dass es gerade in diesem Bereich einen großen Verbesserungsbedarf gibt. Der Kodex hält deshalb fest, dass für Qualifikationsstellen die Laufzeit so zu vereinbaren ist, dass das Qualifikationsziel erreicht werden kann. Die Laufzeit von Erstverträgen für Promovierende beträgt daher möglichst mindestens drei Jahre, für Folgeverträge mindestens zwei Jahre. Die Hochschulen erarbeiten eine mittel- und langfristige Personalplanung, deren Ziel es unter anderem ist, Daueraufgaben zu identifizieren und Befristungen zu minimieren.

Arbeitsbedingungen auf Qualifikationsstellen: Mit allen Promovierenden sind Betreuungsvereinbarungen abzuschließen. Das Qualifikationsziel ist rechtsverbindlich im Arbeitsvertrag festzuhalten. Mindestens ein Drittel der Arbeitszeit ist für die eigenständige wissenschaftliche Qualifikation vorzusehen – der Tarifvertrag spricht dagegen nur von „ausreichend“ Gelegenheit zur eigenen wissenschaftlichen Arbeit. Verträge von Postdoktorandinnen und -doktoranden betragen mindestens drei Jahre. Für die Postdoc-Phase erarbeiten die Hochschulen Personalentwicklungskonzepte und bieten ihnen spätestens nach zwei Jahren eine Zielvereinbarung an, um ihnen einen berechenbaren Karriereweg entweder innerhalb des Wissenschaftssystems zu eröffnen oder ihnen mit Beratung und Weiterbildung zu helfen, außerhalb der Hochschulen beruflich Fuß zu fassen.

Drittmittel: Kettenverträge stehen im Widerspruch zur Logik der Wissenschaft, die Zeit und Freiraum erfordert. Wenn Forschungsprojekte aus Drittmitteln finanziert werden, entstehen allerdings Finanzierungslücken. Deshalb entwickeln die Hochschulen Überbrückungs- und Auslauffonds, die eine Weiterbeschäftigung trotz Auslaufens des Drittmittelprojekts möglich machen. Hierzu erarbeiten die Hochschulen bis Dezember 2022 konkrete Finanzierungsinstrumente unter Einbindung der Personalräte und des Ministeriums. Die Forderung nach „Drittmittelpools“ ist also aufgegriffen und wird umgesetzt. Die Lösungen der Personalvertretungen und Gewerkschaften auf die genannten Umsetzungsprobleme waren und sind herzlich willkommen. Denn die Aufgabe ist durchaus komplex. Wir sollten gemeinsam eine tragfähige Lösung finden.

Ausschreibungen unbefristeter Stellen: Dass unbefristete Stellen zur Besetzung ausgeschrieben werden sollen, halten wir für sinnvoll und richtig, denn transparente Besetzungsverfahren vermindern Abhängigkeiten und gehören zu einer guten Personalentwicklung. Der Kodex hält aber ausdrücklich fest, dass bei der Besetzung unbefristeter Stellen künftig befristet Beschäftigte grundsätzlich bevorzugt werden, und geht damit über die Einschränkung „wenn sachliche und persönliche Voraussetzungen erfüllt sind“ im Tarifvertrag hinaus.

Lehrbeauftragte – also Lehrende von außerhalb der Hochschule, die dort ihr Wissen aus der Praxis vermitteln – sind ausdrücklich nebenberuflich an der Hochschule tätig. Der Kodex präzisiert, dass ihr Lehrumfang die Hälfte der Lehrverpflichtung entsprechender haupt-beruflicher Lehrkräfte nicht überschreiten soll. Sie sollen angemessen analog der Vergütung der wissenschaftlichen Mitarbeiter nach TV-H vergütet werden, die auch die Zeit der Vor- und Nachbereitung der Lehrveranstaltungen, die Betreuung und Beratung der Studierenden sowie die Prüfungsverpflichtungen umfasst.

Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) werden laut Kodex grundsätzlich unbefristet beschäftigt. Lehrdeputate werden in der Lehrverpflichtungsverordnung geregelt. Zukünftig gibt es im Hessischen Hochschulgesetz die Kategorie der Hochschuldozenturen, wo ein geringeres Lehrdeputat zugrunde gelegt werden soll.

Studentische Hilfskräfte: Hilfskräfte sind Teil des Kodex, der Rahmenbedingungen für gute Beschäftigungsverhältnisse schafft, unter anderem mit der Mindestbeschäftigungsdauer von Semestern, der Mindestvergütung von 12 Euro, Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und gesetzlichen Pausenzeiten. Selbstverständlich sind also Hilfskräfte Personal mit entsprechenden Arbeitsverträgen. Wie die Kosten budgetär im jeweiligen Hochschulhaushalt abgebildet werden, können die Hochschulen festsetzen.

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