Forscherin im Labor

SynChemBio

Innovative Synthesechemie für die selektive Modulation biologischer Prozesse

Statement des Koordinators

Ziel von SynChemBio war die Entwicklung und Anwendung neuartiger chemischer Strategien zur gezielten und selektiven Modulierung von biologischen Prozessen, und damit die Schaffung der Grundlage für die Entwicklung nebenwirkungsfreier Medikamente. Dazu wurde SynChemBio thematisch in zwei zueinander komplementäre Projektbereiche gegliedert, nämlich der gezielten Modulation der Funktion von Biomolekülen durch Synthetika und der gezielten Steuerung und Umprogrammierung modifizierter Biomoleküle.

Der LOEWE-Schwerpunkt setzte sich aus 20 Arbeitsgruppen dreier hessischer Universitäten (Philipps-Universität Marburg, Justus-Liebig-Universität Gießen und Goethe-Universität Frankfurt) und insgesamt vier verschiedener Fachbereiche zusammen (Chemie, Pharmazie, Biowissenschaften und Physik) und trug somit dem interdisziplinären Charakter des geplanten Forschungsverbundes und der einzelnen Projekte Rechnung.

Über die Laufzeit wurden in Verbindung mit SynChemBio 51 Arbeiten in Fachzeitschriften publiziert und Drittmittel in einer Höhe von mehr als 715.000 Euro eingeworben.

Im Rahmen des LOEWE-Schwerpunkts konnten zwei Nachwuchsgruppen in Gießen und Marburg etabliert werden. Eine Weiterfinanzierung dieser Juniorgruppen über den LOEWE-Schwerpunkt hinaus wurde durch die beteiligten Fachbereiche ermöglicht. Des Weiteren wurde Juniorprofessorin Dr. Olalla Vázquez (Fachbereich Chemie der Philipps-Universität Marburg) mit dem LOEWE-Schwerpunkt assoziiert. Die W1-Professur wurde nach erfolgreicher Zwischenevaluierung bis Juli 2020 verlängert (tenure track). SynChem-Bio-Mitglied Prof. Dr. Peter Kolb ist darüber hinaus seit Oktober 2016 Inhaber der Heisenberg-Professur für computergestützte Wirkstoffentwicklung an der Philipps-Universität Marburg.

Erklärtes Ziel für eine Anschlussfinanzierung ist die Einrichtung eines DFG-Sonderforschungsbereiches unter dem Arbeitstitel „Kontrolle der Chemoselektivität von  Wechselwirkungen und Reaktionen in biologischen Systemen“. Arbeiten dazu laufen. Dabei soll auch hier die Selektivität von Wechselwirkungen zwischen Molekülen und biologischen Komponenten im Vordergrund stehen und dieser Sonderforschungsbereich wird sich daher zwanglos aus dem jetzigen LOEWE-Schwerpunkt entwickeln.

Prof. Dr. Eric Meggers, Koordinator des LOEWE-Schwerpunkts SynChemBio, Philipps-Universität Marburg

Wissenschaftlich-technische Ausgangslage

Die kontrollierte Modulation biologischer Prozesse ist eine entscheidende Voraussetzung für die Charakterisierung, Beeinflussung und Umsteuerung biologischer
Vorgänge (chemische Biologie), die letztlich die Entwicklung neuer Arzneistoffe ermöglicht (Medizinalchemie und pharmazeutische Chemie). Aufgrund der enormen Komplexität biologischer Systeme ist aber die erwünschte Präzision der biologischen Steuerung immer noch eine große Herausforderung, der sich der LOEWE-Schwerpunkt SynChemBio angenommen hat. Konkrete Aufgabenstellung war dabei die Entwicklung und Anwendung neuartiger chemischer Strategien zur gezielten und selektiven Modulierung von biologischen Prozessen, was damit auch die Grundlage für die Entwicklung neuartiger Leitstrukturen für Medikamente auf bisher kaum bzw.gezielt ausgewählten Molekülgerüsten bildet. Der Schwerpunkt zeichnete sich dadurch aus, dass ein besonders breites Spektrum von chemischen Methoden und Verbindungsklassen der organischen (kleine Moleküle, komplizierte Naturstoffe, Diamantoide, modifizierte Biomoleküle), anorganischen (Metallkomplexe,  organometallische Verbindungen, Metallcluster) und nanoskaligen (Nanopartikel) Chemie für gezielte Eingriffe in die biomolekulare Erkennung herangezogen wurde.

Erkenntnisse und getätigte Entwicklungen

Der LOEWE-Schwerpunkt SynChemBio wurde thematisch in zwei zueinander komplementäre Projektbereiche gegliedert, nämlich der gezielten Modulation der Funktion von Biomolekülen durch Synthetika und der gezielten Steuerung und Umprogrammierung modifizierter Biomoleküle. Über die Laufzeit von SynChemBio wurden viele Fortschritte auf diesen beiden Themengebieten gemacht. So konnte im Rahmen von SynChemBio eine umfangreiche und detaillierte strukturelle und thermodynamische Analyse der Wechselwirkung eines ausgewählten Wirkstoffs mit seinem Proteintarget durchgeführt werden. Diese Studie ergab wichtige Einblicke in die Parameter für die Entwicklung von selektiven Wirkstoffen. Hier hat sich die Kombination von Proteinkristallographie und NMR-Spektroskopie zur Untersuchung der Protein-Ligand-Wechselwirkung als sehr hilfreich erwiesen. Ein weiteres Teilprojekt hat sich mit der fragmentbasierten Entwicklung von selektiven Kinaseinhibitoren
mithilfe von In-Silico-Screens von großen Datenbanken beschäftigt und damit einen neuartigen Ansatz zur Entwicklung von bioaktiven Molekülen geschaffen. Des Weiteren konnten hypervalente Siliziumverbindungen und zweikernige Goldkomplexe als ungewöhnliche und neuartige selektive G-Quadruplexbinder identifiziert und mithilfe von Kristallographie und NMR charakterisiert werden. In diesem Zusammenhang wurde auch die NMR-Struktur eines Komplexes zwischen einer zweikernigen Goldverbindung und der Quadruplexstruktur wtTel26 DNA gelöst. Darüber hinaus wurde die Mutasynthese als Methode zur chemischen Diversifizierung der Naturstoffe
Pristinamycin IIa und Erythromycin A untersucht. Die schwierige Manipulierbarkeit des Produzentenstammes Streptomyces pristinaspiralis stellte sich aber als unerwartet problematisch heraus und dieses Projekt wurde in der Auslauffinanzierung nicht weiter gefördert. Im Rahmen von SynChemBio konnte auch erstmals ein photoschaltbarer Ionenkanal vom Porin-Typ entwickelt werden. Chemische Derivatisierung, Expression, Rückfaltung und Analytik der Porins OmpG wurden etabliert und es gelang die synthetische Einführung eines photospaltbaren Cumarins in die β-Barrel-Struktur von OmpG. Leitfähigkeitsmessungen verifizierten die Modulierung der lichtgesteuerten Modulierung der Leitfähigkeit. Außerdem wurden bioorthogonale Enzym/Schutzgruppenpaare entwickelt, welche auf der selektiven Spaltung von Propargyl- und Benzylethern mit evolvierten Cytochrom-P450-Varianten beruhen. Solche bioorthogonalen Paare von Enzym und Schutzgruppe könnten in den  Lebenswissenschaften Anwendung finden, beispielsweise für die Freisetzung bildgebender Substanzen oder zur katalytischen Aktivierung von Wirkstoffvorläufern an deren Zielort.

Signifikante Fortschritte wurden auch im Design von Hybridinhibitoren der Proteinkinase PKA gemacht und es konnte eine Kristallstruktur eines modifizierten eptidsubstratanalogons erhalten werden. Es gelang auch, Zinn-Schwefel-Cluster und Adamantyl-Bausteine zu synthetisieren und diese an Aminosäuren und Peptide anzubinden. SynChemBio hat sich auch mit der Steuerung der ribosomalen Proteinsynthese durch selektives RNA-Targeting beschäftigt. Im Zentrum stand dabei die Regulierung des Tumorsuppressors P21 über eine microRNA-20a-vermittelte Inhibitierung der Translationsinitiation der mRNA von P21. So konnte erfolgreich eine sequenz- und ortsspezifische Spaltung der microRNA-20a durch Konjugate von Antisense-PNA mit einer synthetischen Ribonuklease entwickelt werden, was eine Grundlage für die Regulierung von P21 liefert. Es konnten auch neuartige Konjugate aus Antisense-Nukleinsäuren und wasserlöslichen Phthalocyaninen als ichtreaktive Kopfgruppen entwickelt werden.

Die Nachwuchsgruppen wurden in die Teilprojekte integriert. Die Nachwuchsgruppe aus Gießen konnte mit der Entwicklung neuer Synthesemethoden für die Darstellung künstlicher, lipophiler Aminosäuren und deren Anwendung auf die Modulation biologischer Systeme den Schwerpunkt unterstützen. Die Nachwuchsgruppe
aus Marburg hat die Entwicklung von bioorthogonaler Katalyse unterstützt und die Entwicklung von neuartigen Biokatalysatoren vorangetrieben. So wurden neue Designregeln zur Entwicklung von En-Reduktasen identifiziert und die Funktionalisierung inerter C–H-Bindungen durch mutierte Halogenasen erreicht. All diese unterschiedlichen Ansätze und Strategien verfolgen im Kern das gleiche Ziel, nämlich die Möglichkeit der selektiven Modulierung biologischer Vorgänge.

Erreichte Strukturentwicklung

SynChemBio setzte sich aus Arbeitsgruppen dreier hessischer Universitäten (Philipps-Universität Marburg, Justus-Liebig-Universität Gießen und Goethe-Universität Frankfurt) und insgesamt vier verschiedener Fachbereiche zusammen (Chemie, Pharmazie, Biowissenschaften und Physik) und trug somit dem interdisziplinären Charakter des geplanten Forschungsverbundes und der einzelnen Projekte Rechnung. Im Rahmen des LOEWE-Schwerpunkts konnten zwei Nachwuchsgruppen (Dr. Radim Hrdina/Gießen und Dr. Sabrina Höbenreich/Marburg) etabliert werden. Eine Weiterfinanzierung dieser Juniorgruppen über den LOEWE-Schwerpunkt hinaus wurde durch die beteiligten Fachbereiche ermöglicht. Des Weiteren wurde Juniorprofessorin Dr. Olalla Vázquez (Fachbereich Chemie der Philipps-Universität Marburg) mit dem LOEWE-Schwerpunkt assoziiert. Die W1-Professur wurde nach erfolgreicher Zwischenevaluierung bis Juli 2020 verlängert (tenure track). SynChemBio-Mitglied Prof. Dr. Peter Kolb ist darüber hinaus seit Oktober 2016 Inhaber der Heisenberg-Professur für computergestützte Wirkstoffentwicklung an der Philipps-Universität Marburg. Erklärtes Ziel für eine Anschlussfinanzierung ist die Einrichtung eines DFG-Sonderforschungsbereiches unter dem Arbeitstitel „Kontrolle der Chemoselektivität von Wechselwirkungen und Reaktionen in biologischen Systemen“. Dabei soll auch hier die Selektivität von Wechselwirkungen zwischen Molekülen
und biologischen Komponenten im Vordergrund stehen und dieser Sonderforschungsbereich wird sich daher zwanglos aus dem jetzigen LOEWE-Schwerpunkt entwickeln.

Erreichte Bedeutung/Stellung im Themen-/Forschungsfeld

Ein Schlüsselkriterium für die Qualität und den Nutzen von synthetischen Verbindungen in der biologischen Forschung und Wirkstoffentwicklung ist ihre Selektivität bezüglich einer ausgewählten biologischen Zielstruktur. Nur so ist die gesteuerte Modulation mit der erforderlichen Präzision durch „chemische Sonden“ zu gewährleisten und nur dann dürfen neu entwickelte Pharmawirkstoffe als weitgehend nebenwirkungsfrei gelten. Diese erwünschte Präzision der biologischen Steuerung ist aber aufgrund der enormen Komplexität von biologischen Systemen immer noch ein weitgehend ungelöstes Problem. Dieses fundamentale Problem wurde in dem LOEWE-Schwerpunkt SynChemBio aufgegriffen. Statt sich wie in der traditionellen chemischen Biologie und Medizinalchemie auf rein organische Chemie zu beschränken, zeichnete sich SynChemBio dadurch aus, dass ein besonders breites Spektrum von chemischen Methoden und Verbindungsklassen der
organischen (kleine Moleküle, komplizierte Naturstoffe, Diamantoide, modifizierte Biomoleküle), anorganischen (Metallkomplexe, organometallische Verbindungen,
Metallcluster) und nanoskaligen (Nanopartikel) Chemie für gezielte Eingriffe in die biomolekulare Erkennung herangezogen wurden. Die neuartigen chemischen Strukturen und Strategien sollen später die Grundlage für industrielle Innovationsprozesse insbesondere in der Wirkstoffforschung in Hessen bilden.

Zahlen und Fakten

Förderzeitraum 01.01.2014 – 31.12.2017 Bemerkungen
bis Ende des Förderzeitraums verausgabte LOEWE-Mittel 4.737.189 Euro  
bis Ende des Förderzeitraums verausgabte Drittmittel 110.066 Euro  
eingeworbene Drittmittel 715.000 Euro längste Laufzeit bis 03/2020
Anzahl der beteiligten Personen 18 ProfessorInnen
66 wissenschaftliche MitarbeiterInnen
1 techn.-administrative MitarbeiterInnen
 
Anzahl an innerhalb des Förderzeitraums abgeschlossenen Promotionen 15  
Anzahl an Veröffentlichungen in Fachzeitschriften innerhalb des Förderzeitraums 51  
Anzahl an Konferenzbeiträgen innerhalb des Förderzeitraums 150  
Anzahl an innerhalb des Förderzeitraums zugeteilten Patenten 0  

 

Wer ist beteiligt?

Kurzvorstellung der beteiligten Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstitute

Die Philipps-Universität versteht sich als klassische Volluniversität mit breitem Fächerspektrum; an ihren 16 Fachbereichen studieren rund 27.000 Studierende. Zu den großen Forschungsbereichen der Philipps-Universität zählen die Infektions- und Tumorforschung, synthetische Mikrobiologie, Materialwissenschaften, kognitive und angewandte Neurowissenschaften, die Untersuchung von Sprachdynamik, die Forschung zu Biodiversität und Klima sowie Konfliktforschung. Diese Bereiche sind in Forschungsnetzwerke eingebunden, die DFG-Sonderforschungsbereiche, Forschungsgruppen, Graduiertenkollegs, Förderungen des Landes (LOEWE), des Bundes, des 8. Forschungsrahmenprogramms der EU und Akademievorhaben umfassen und mit Preisen ausgezeichnete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (Leibniz, ERC Grants) einschließen.

Die Universität Gießen ist eine moderne Hochschule mit über 400-jähriger Geschichte. Sie hat rund 28.000 Studierende und ist für die Zukunft bestens aufgestellt. Neben einem breiten Lehrangebot – von den klassischen Naturwissenschaften über Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Gesellschafts- und Erziehungswissenschaften bis hin zu Sprach- und Kulturwissenschaften – bietet sie ein lebenswissenschaftliches Fächerspektrum, das nicht nur in Hessen einmalig ist: Human- und Veterinärmedizin, Agrar-, Umwelt- und Ernährungswissenschaften sowie Lebensmittelchemie. Unter den großen Persönlichkeiten, die an der JLU geforscht und gelehrt haben, befindet sich eine Reihe von Nobelpreisträgern, unter anderem Wilhelm Conrad Röntgen (Nobelpreis für Physik 1901) und Wangari Maathai (Friedensnobelpreis 2004).

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