Projektmitarbeiter*innen von NICER beobachten einen Roboter, der sich durch eine künstliche Kriegslandschaft bewegt

NICER - Vernetzte infrastrukturlose Kooperation zur Krisenbewältigung

Statement des Koordinators des Projektes

Der LOEWE-Schwerpunkt NICER wurde am 1. Januar 2015 etabliert und über vier Jahre mit insgesamt 5,2 Mio. EUR im Rahmen des Forschungsförderungsprogramms LOEWE (Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz) finanziert.

Krisen, Katastrophen und Großschadensereignisse werden durch Naturgewalt, menschliches oder technisches Versagen sowie Gewalt und Terror ausgelöst. Sie bedrohen Menschenleben, die öffentliche Sicherheit im betroffenen Gebiet und die Wirtschaft überregional. Technische Infrastrukturen werden dabei beschädigt oder fallen aus. Der LOEWE-Schwerpunkt NICER erforschte, wie infrastrukturlose Informations- und Kommunikationstechnologie im Krisenfall Menschen vernetzen und damit eine Kooperation zur Bewältigung der Krise ermöglichen kann. Hierzu konzentrierte sich NICER auf drei Leitthemen: (1) Die Etablierung autonomer, dezentraler und robuster „Kommunikationsinseln“, (2) den Aufbau von „Kommunikationsbrücken“ zwischen Kommunikationsinseln sowie (3) den Betrieb eines „Gesamtnetzes“ mit Diensten und Anwendungen zur Ermöglichung einer Kooperation in der Krisensituation.

Im Rahmen der LOEWE-Förderung konnten die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen für eine drastische Erhöhung der Leistungsfähigkeit von infrastrukturloser Kommunikation geschaffen werden. Die Förderung erlaubte es uns, Spitzenforschung im Themenfeld Resiliente Informations- und Kommunikationssysteme zu betreiben, nationale und internationale Kooperationen zu etablieren oder zu vertiefen. NICER war damit die Basis für die erfolgreiche Etablierung des LOEWE-Zentrums emergenCITY, das sich mit der Erforschung resilienter Infrastrukturen für digitale Städte befasst. NICER und emergenCITY festigen die internationale Spitzenposition der Technischen Universität Darmstadt, der Philipps-Universität Marburg und der Universität Kassel im Bereich der Forschung auf dem Gebiet Resiliente Informations- und Kommunikationssysteme und deren Zusammenwirken mit der Bevölkerung.

Prof. Dr.-Ing. Matthias Hollick, Koordinator des LOEWE-Schwerpunkts NICER, Technische Universität Darmstadt

Wissenschaftlich-technische Ausgangslage

Krisen, Katastrophen und Großschadensereignisse werden durch Naturgewalt, menschliches oder technisches Versagen sowie Gewalt und Terror ausgelöst. Sie bedrohen Menschenleben, die öffentliche Sicherheit im betroffenen Gebiet und die Wirtschaft überregional. Technische Infrastrukturen werden dabei beschädigt oder fallen aus. Der LOEWE-Schwerpunkt NICER erforschte, wie infrastrukturlose Informations- und Kommunikationstechnologie im Krisenfall Menschen vernetzen und damit eine Kooperation zur Bewältigung der Krise ermöglichen kann.

Hierzu konzentrierte sich NICER auf drei Leitthemen: (1) Die Etablierung autonomer, dezentraler und robuster Kommunikationsinseln; (2) den Aufbau von Kommunikationsbrücken zwischen Kommunikationsinseln; (3) den Betrieb eines Gesamtnetzes mit Diensten und Anwendungen zur Kooperation in der Krisensituation.

Für die genannten Themen erarbeitete NICER wissenschaftliche und technologische Grundlagen, um langfristig die Leistungsfähigkeit von infrastrukturloser Kommunikation drastisch zu erhöhen.

Die in NICER erforschten Lösungsansätze zeigen Wege auf, wie eine Kooperation zwischen den direkt betroffenen Menschen sowie zwischen diesen und Rettungskräften und auch technischen Rettungs- und Hilfssystemen, beispielsweise Rettungsrobotern, auch in großflächigen und komplexen Schadenslagen und trotz Infrastrukturausfall gelingen kann.

Erkenntnisse und getätigte Entwicklungen

Innerhalb von insgesamt vier Jahren wurden in NICER zahlreiche wichtige Erkenntnisse gewonnen. In einem ersten Schritt erfolgten in Jahr 1 die Definition der Szenarien, die Definition der Anforderungen an ein System zur Krisenkommunikation sowie die Konzeption erster Lösungsansätze. Entsprechend wurden gemeinsame repräsentative Szenarien für Demonstrations- und Validierungszwecke ausgearbeitet, bestehende Verfahren ausführlich analysiert und fehlende Systemkomponenten identifiziert. Erste Spezifikationen der Sprachen für gemeinsame Weltmodelle und Sensorsemantik wurden geschaffen und erste Lösungsansätze zur mobilen Cloud, zur dynamischen Ermittlung der Netzeigenschaften, zu robusten Weiterleitungsverfahren und zu Routingparadigmen lagen vor.

In Jahr 2 lag ein Fokus auf neuartigen statistischen Methoden zur Gewichtung von Informationsquellen sowie Replikationsstrategien und Konsistenzprotokollen des Weltmodells. Ansätze zu einer robusten Kontextdatenerfassung wurden geschaffen. Prototypische Implementierungen der Datenpriorisierung, der Routingverfahren sowie Verfahren zur teilautonomen Steuerung der Rettungsroboter wurden geschaffen. Die Mechanismen sind dabei katastrophensicher, energieoptimiert, skalierbar und effizient.

In Jahr 3 lag der Fokus des NICER-Teams auf der Integration, Validierung, Testung und Leistungsbewertung der Teilergebnisse. Diese Phase erbrachte einen hohen Zugewinn an wissenschaftlichen Erkenntnissen, da durch die initialen Arbeiten im Projektverbund hochgradig interessante neue Forschungsfragen aufgeworfen wurden, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht absehbar waren. Entwickelt wurden Verfahren zur energieeffizienten und robusten Kommunikation in Inseln, Brücken und im Gesamtnetz. Diese sind adaptiv für ein breites Spektrum an Krisensituationen und prinzipiell praxistauglich. Die Szenarien wurden durch die integrierten Demonstratoren und Fallbeispiele veranschaulicht. Die Demonstratoren kombinierten dabei die Aspekte von cyber-physischen Hilfssystemen, Kommunikationsnetzen sowie Diensten und Anwendungen und nutzen hierzu das erfolgreich etablierte Emergency Response Lab in NICER. Zudem erfolgte eine Validierung und detaillierte Leistungsbewertung der entwickelten Verfahren.

Im Rahmen der Auslauffinanzierung in Jahr 4 konnte der Verbund ausgewählte und nur im Team lösbare Forschungsfragen adressieren. Inhaltlich wurden neuartige Technologien wie Millimeterwellen hinsichtlich der Anwendbarkeit in Inselnetzen untersucht. Erweiterte Fähigkeiten der Situationserfassung und Objektmanipulation für Rettungsrobotik konnten praktisch demonstriert werden. Verfahren des maschinellen Lernens wurden zur Optimierung von Inseln und Brücken genutzt. Neue Ansätze zur ereignisbasierten Verarbeitung sowie neue Programmiermodelle für ausfallsichere Systeme im Gesamtnetz wurden vorgestellt. Die Verfahren wurden evaluiert und gemeinsame Demonstratoren wurden erweitert. Gleichzeitig wurde auf ein LOEWE-Zentrum zum Thema Resilienz in digitalen Städten hingearbeitet.

Die erzielten Ergebnisse wurden auf Spitzenkonferenzen und in angesehenen Fachzeitschriften publiziert. Hervorzuheben sind insbesondere Veröffentlichungen im IEEE Wireless Communications Magazine, den IEEE Transactions on Wireless Communications, den IEEE Transactions on Mobile Computing sowie dem EURASIP Journal on Advances in Signal Processing. Zudem erhielten mehrere NICER-Publikationen spezielle Auszeichnungen, wie den Gewinn der SPLASH'15 Student Research Competition, den Gewinn des Best Paper Awards auf der ACM WiSec 2017, der ACM WINTECH 2017 sowie der ACM Mobicom 2018 (Best Community Paper und Best Demo).

Die in NICER entwickelte Software wurde als Open Source verfügbar gemacht und erzielte eine hohe Sichtbarkeit: die NexMon und OpenDrop Rahmenwerke zur Etablierung von Kommunikationsinseln, das sichere Kommunikationssubstrat SEMUD, das verteilte Emulationssystem MiniWorld, die Applikationsanalysewerkzeuge AndroLyze und Dynalize, das DTN-RPC Kommunikationssystem sowie die in NICER erweiterte REScala Programmiersprache.

Ferner konnten die Verbundpartner eine Reihe von Preisen einwerben: Ausgezeichnete und prämierte Dissertationen, Gewinn der Argos Challenge des Unternehmens Total (mit 500.000 € dotiert), Gewinn des EnRicH Wettbewerbes 2019, Gewinne in der Rettungsroboterliga der RoboCup-Weltmeisterschaft (mehrfach), Platzierung bei der DARPA Robotics Challenge sowie ein Preis im Rahmen der Pacific Humanitarian Challenge.

Technologietransfer erfolgte im Rahmen der Gründung des Start-ups Energy Robotics der TU Darmstadt (www.energy-robotics.com), das in 2018 von ehemaligen NICER-Mitwirkenden gegründet wurde. Die einzigartige Technologie konnte nicht zuletzt durch die LOEWE-Förderung ermöglicht werden.

Erreichte Strukturentwicklung

Der LOEWE-Schwerpunkt NICER bereitete erfolgreich die Zentrumsbildung an den beteiligten Hochschulen für das hochgradig aktuelle und relevante Thema Resiliente Informations- und Kommunikationssysteme vor.

Hierzu wurde eine Reihe von sichtbaren Verbundaktivitäten initiiert oder durch NICER weiter befördert. Dies sind unter anderem das DFG-Graduiertenkolleg 2050 Privatheit und Vertrauen für mobile Nutzende, welches die in NICER eingesetzten Plattformen und Themenbereiche aufgreift und ergänzt, das DFG-Graduiertenkolleg 2222 Kritische Infrastrukturen: Konstruktion, Funktionskrisen und Schutz in Städten, welches die Arbeiten in NICER hauptsächlich um geistes- und sozialwissenschaftliche Aspekte komplementiert sowie der DFG-Sonderforschungsbereich 1053 Multi-Mechanismen-Adaption für das künftige Internet, der hochgradig adaptive Kommunikationssysteme erforscht.

Dank NICER wurde die wissenschaftliche Kooperation im Themenfeld Resiliente Informations- und Kommunikationssysteme in Hessen über die gelebte enge Kooperation der Universität Kassel, der Philipps-Universität Marburg sowie der Technischen Universität Darmstadt befördert. Dies wurde nicht zuletzt durch mehr als 130 begutachtete Publikationen, davon mehr als 25 gemeinsame Publikationen zwischen mehreren Arbeitsgruppen dokumentiert.

Auf Basis dieser gemeinsamen Arbeiten konnte das LOEWE-Zentrum emergenCITY – die resiliente digitale Stadt zwischen den genannten Universitätspartnern etabliert werden, welches mehr als 20 hessische Arbeitsgruppen auf dem Themenfeld vereint und national wie international hochgradig sichtbar ist.

Erreichte Bedeutung/Stellung im Themen-/Forschungsfeld

NICER konnte im nationalen und internationalen Umfeld eine hohe Sichtbarkeit erzielen. Beispiele hierfür sind die vom 18. bis 22. Juli 2016 unter der Leitung von NICER-Sprecher Prof. Hollick durchgeführte internationale Tagung ACM WiSec sowie die Kooperation mit einer Reihe von internationalen Expertinnen und Experten sowie Humboldt-Preisträgerinnen und -Preisträger.

Eine Reihe von internationalen Kooperationen wurde aus NICER heraus initiiert, wie beispielsweise mit dem Madrid Institute for Advanced Studies (IMDEA Networks, Madrid, Spanien), der University of Massachusetts (UMASS, Amherst, USA), dem weltweit führenden Zentrum zur Krisenforschung IRIDES an der Tohoku Universität (Japan) oder dem chilenischen Zentrum CIGIDEN.

Zahlen und Fakten

Die Angaben beziehen sich mit Ausnahme der Beschäftigten auf die gesamte Projektlaufzeit.

Förderzeitraum

01.01.2015 – 31.12.2018

Bewilligte LOEWE-Mittel in EUR

5.209.439 Euro

Verausgabte LOEWE-Mittel in EUR

5.209.439 Euro

Bewilligte Drittmittel in EUR

13.639.472 Euro

Beschäftigte insgesamt

 

Die Anzahl der Beschäftigten bezieht sich auf alle Beschäftigten, die an dem LOEWE-Projekt mitgearbeitet haben in Vollzeitäquivalenten, unabhängig von ihrer Finanzierung, Stichtag 31.12. des letzten Förderjahres.

26,5

  • darunter LOEWE-finanziert

10,5

Erfolgreich abgeschlossene Promotionen

15

Erfolgreich abgeschlossene Habilitationen

0

Wissenschaftliche Publikationen

125

Fachvorträge auf wissenschaftlichen Tagungen/Konferenzen

111

Angemeldete Patente

1

  • darunter bereits erteilt

 

Wer ist beteiligt?

Kurzvorstellung der beteiligten Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstitute

Die TU Darmstadt ist die einzige Technische Universität in Hessen. Mit ihren über 110 Studiengängen, mehr als 25.000 Studierenden, über 300 Professorinnen und Professoren und einem Jahresetat von über 450 Millionen Euro trägt die TU Darmstadt mit Pionierleistungen und mit herausragender Forschung und Lehre zur Lösung drängender Zukunftsfragen bei. Die TU Darmstadt konzentriert sich auf ausgewählte, hoch relevante Problemfelder. Technik steht an der TU Darmstadt im Fokus aller Disziplinen. Naturwissenschaften sowie Sozial- und Geisteswissenschaften arbeiten dabei mit den Ingenieurwissenschaften eng zusammen.

Die Universität Kassel wurde 1971 im Zuge der Bildungsreform als Gesamthochschule gegründet und 2003 in eine Universität umgewandelt. Mit mehr als 25.000 Studierenden und über 300 Professorinnen und Professoren ist die Universität sowohl international vernetzt als auch – als einzige Hochschule Nordhessens – regional verankert. Ihre Forschungsschwerpunkte sind geprägt von Interdisziplinarität verbunden mit gesellschaftlichen Bezügen. Das besondere Forschungspotenzial der Universität Kassel liegt in der Spezifik ihres Fächerspektrums, das neben Schwerpunkten in den Ingenieur- und Naturwissenschaften auch Geistes-, Gesellschaftswissenschaften und die Kunst umfasst. Die interdisziplinäre Forschung in vielen Bereichen der Universität orientiert sich an den zentralen Zukunftsfragen der wachsenden Komplexität gesellschaftlicher Strukturen, wie Globalisierung, Klimawandel und Umweltschutz, technologischer Wettbewerb, sowie der kulturellen und demographischen Entwicklung.

Die Philipps-Universität Marburg ist heute, 500 Jahre nach ihrer Gründung, eine moderne Volluniversität mit rund 24.000 Studierenden. An 16 Fachbereichen forschen und lehren 370 Professorinnen und Professoren in interdisziplinären Profilbereichen. Die Universität bietet weit über 100 Studiengänge, von Archäologie bis Zahnmedizin. Bislang wurden 12 Marburger Forscherinnen und Forscher mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet. Als wissenschaftliche Schwerpunkte mit zahlreichen interdisziplinären Schnittstellen sind „Sicherheit, Ordnung und Konflikt“, „Sprachdynamik“, „Kognitive und angewandte Neurowissenschaften“, „Physik und Chemie von Materialien und Grenzflächen“ sowie im Bereich „Biowissenschaften und Medizin“ mit Immunologie, Tumorforschung, Mikrobiologie, Infektionsbiologie/Virologie, Biodiversität und Klima etabliert.

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