Eine Person arbeitet im Labor

CompuGene

Computergestützte Verfahren zur Generierung komplexer genetischer Schaltkreise

Statement der Koordinatoren

Die synthetische Biologie beschäftigt sich mit der Entwicklung molekularbiologischer Verfahren, um Zellen mit neuen Fähigkeiten auszustatten. In den letzten Jahren entwickelte sich das Feld rasant und brachte neue Lösungen für die Biomedizin, Biotechnologie und Materialforschung hervor. Mit der Förderung des LOEWE-Schwerpunkts CompuGene konnte der Ausbau der synthetischen Biologie an der TU Darmstadt unter Beteiligung von sieben Fachbereichen vorangetrieben werden. Der Forschungsansatz folgt dabei einer ingenieurwissenschaftlichen Herangehensweise an die Molekularbiologie, bei der anhand von Computersimulationen genetische Elemente zu neuen molekularen Systemen kombiniert werden. In CompuGene wurden dadurch beispielsweise unter Verwendung von RNARegulatoren vollkommen neue Systeme aufgebaut, die Boolesche Berechnungen innerhalb der Zelle mit hoher Präzision durchführen können. Der verfolgte Ansatz erforderte ein interdisziplinäres Umfeld, das an der TU Darmstadt in den letzten Jahren systematisch aufgebaut wurde.

Die Interdisziplinarität stellte jedoch auch eine besondere Herausforderung dar, da Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Ingenieurinnen und Ingenieuren aus Biologie, Chemie, Physik, Informatik, Elektrotechnik, Maschinenbau und Philosophie eine gemeinsame Sprache finden müssen. Insbesondere für die Nachwuchswissenschaftlerinnen Nachwuchswissenschaftler stellte dies eine für die Promotion neue Aufgabe dar, die jedoch durch das gemeinsame Modelling Lab, durch viele Arbeitstreffen, dem gemeinsam organisierten Symposium und letztendlich durch die enge Verzahnung der Teilprojekte sehr gut gemeistert wurde. Die durch CompuGene geförderte Juniorprofessur „Computer-aided Synthetic Biology“ sowie die neu etablierte Robotik-Plattform stellen weitere wichtige Elemente in der Etablierung der synthetischen Biologie an der TU Darmstadt dar. Internationale Sichtbarkeit in der synthetischen Biologie wurde durch den international besetzten wissenschaftlichen Beirat, durch die Gastsprecher-Seminare und ein von den Promovierenden und Postdocs organisiertes internationales Symposium erzielt. Somit konnte das Thema Synthetische Biologie innerhalb der Förderperiode von einem emerging field zu einem Centre for Synthetic Biology an der TU Darmstadt entwickelt und etabliert werden. Das Centre hat am 01.01.2020 seine Arbeit aufgenommen. Der LOEWE-Schwerpunkt CompuGene, der von 2016 bis 2019 gefördert wurde, hat somit in beeindruckender Weise die TU Darmstadt auf die Landkarte der synthetischen Biologie nicht nur in Deutschland, sondern auch im internationalen Umfeld gesetzt.

Prof. Dr. Beatrix Süß und Prof. Dr. Heinz Koeppl, Koordination des LOEWE-Schwerpunkts CompuGene, Technische Universität Darmstadt

Wissenschaftlich-technische Ausgangslage

Das in der Biologie üblicherweise angewendete trialand-error-Verfahren ist eine sehr zeitaufwendige, kostspielige und arbeitsintensive Herangehensweise. In den Ingenieurwissenschaften ist seit jeher die gezielte, zweckgerichtete Entwicklung und Konstruktion von Maschinen oder Herstellungsverfahren das gängige Vorgehen. Die Synthetische Biologie kombiniert nun verschiedene Methoden in einem stark interdisziplinären Ansatz aus Biologie, Ingenieurwissenschaften, Mathematik, Physik sowie Informatik. Das Ziel des LOEWE-Schwerpunkts CompuGene war dabei die Realisierung komplexer genetischer Schaltkreise durch computergestützte Verfahren, was erst durch hohe Interdisziplinarität ermöglicht werden konnte. Ausgehend von der detaillierten Charakterisierung einfacher genetischer Elemente und Verknüpfungen sollten mathematische Modelle entwickelt werden, um komplexe genetische Schaltkreise vorhersagen und implementieren zu können. Die wissenschaftliche Herausforderung stellte dabei u. a. auch das Verständnis der Abhängigkeit des Verhaltens des Schaltkreises vom jeweiligen molekularen bzw. zellulären Umfeld dar, welche in mathematische Modelle überführt werden musste. Daher war es unumgänglich, Komponenten und Schaltkreise zu entwickeln, die in verschiedenen Systemen wie Bakterien und Hefen robust funktionieren und einfach miteinander kombinierbar sind. International wurde die Synthetische Biologie von den USA und Großbritannien dominiert, jedoch trug die LOEWE-Förderung maßgeblich dazu bei, das Forschungsfeld in Deutschland weiter voranzutreiben.

Erkenntnisse und getätigte Entwicklungen

In CompuGene wurden Schaltkreise zellfrei sowie in unterschiedlichen Systemen wie Bakterien und Hefen analysiert. Die Schaltkreise wurden dabei als „Kontroll-“ oder „Regulationszentren“ verstanden, die je nach Anwendung verschiedene Molekülgruppen als Eingangssignal logisch kombinieren und am Ausgang verschiedene Prozesse wie z. B. biologische Synthesewege steuern können. Es wurden v. a. kombinatorische aber auch sequenzielle Logikschaltkreise untersucht. CompuGene konnte viele neue Entwürfe verwirklichen, die durch höhere Schaltfaktoren, größere Flexibilität oder geringeren Energieverbrauch überzeugen und über den Stand der Wissenschaft hinausgehen. Die experimentelle Seite wurde von Modellierungsmethoden unterstützt, die eigens für die Problemstellung entwickelt wurden. Im LOEWESchwerpunkt CompuGene wurden genetische Schaltkreise entwickelt, die u. a. auf neuartigen RNA-basierten Schaltelementen basieren. Hierbei wurden in bioinformatischen Ansätzen sowohl die genomische Information als auch die zellulären Einflüsse modelliert und in die Schaltkreisentwicklung einbezogen. Teils wurden optimierte Schaltkreise in einem zellfreien System generiert und die Erkenntnisse anschließend in Hefen und/oder Bakterien überführt. Durch die von CompuGene angeschaffte Robotics-Platform könnte über „rapid prototyping“ zeitnah computergestützte Schaltkreissynthese betrieben werden. Um die Robotics-Platform effizient nutzen zu können, veranstaltete Prof. Johannes Kabisch zwei Robotics-Workshops mit internationalen Gästen, die Erfahrung mit solchen Laborrobotern haben. Von dieser Veranstaltung profitieren in besonderem Maße die Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die so verschiedene Plattformen kennenlernen und sich in der wissenschaftlichen Gemeinschaft vernetzen konnten. Zur engen Netzwerkbildung trugen ferner auch ein internationales Symposium unter Ägide der Promovierenden und Postdocs des LOEWE-Schwerpunktes bei sowie regelmäßig stattfindende Gruppentreffen im Modelling Lab, das am Campus Botanischer Garten für die theoretisch arbeitenden Promovierenden eingerichtet wurde und diesen eine räumliche Nähe zu den experimentell arbeitenden Biologinnen und Biologen ermöglichte.

Um Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler bestmöglich auf die Karriere nach der Promotion vorzubereiten, wurde gemeinsam mit dem LOEWE-SchwerpunktiNAPO ein Workshop zu selbstsicherem Auftreten organisiert, der äußerst positiv evaluiert wurde. Des Weiteren lud man Vertreterinnen und Vertretern aus verschiedenen Berufsfeldern ein, die potenzielle zukünftige Arbeitsbereich e vorstellten und Tipps für eine erfolgreiche Bewerbung gaben. Mit dem Ziel, ingenieur-, natur- und gesellschaftswissenschaftliche Positionen zusammenzubringen, veranstaltete CompuGene eine Seminarreihe (sog. Philosophy Seminar) und eine anschließende Philosophy Winter School zu den Themen „Modell und Modelling“ und „Experiment“ sowie eine dazugehörige internationale Philosophy Winter School in Darmstadt im März 2017 (Thema „Varieties of Modeling in Technoscience: the Case of Synthetic Biology“). Im Jahr 2018 fand eine Fortsetzung mit den Themen „Experiment and Experimental Design“ (Seminar) und „Experiment und Messung in der Biologie“ (Winter School) statt. Zudem organisierte CompuGene im November 2017 ein eintägiges Philosophie-Kolloquium zum Thema „Philosophie der Biologie“.

In den ersten drei Jahren der Förderung (2016 – 2018) unterstützte CompuGene das Darmstädter iGEMTeam durch einen jährlichen Zuschuss von 10.000 Euro und erleichterte somit die Teilnahme an den internationalen iGEM-Wettbewerben. Das iGEM-Team wiederum engagierte sich bei CompuGene im Kontext von Gastseminaren sowie bei Präsentationen im Rahmen der Hessentage 2018 und 2019. In den vier Förderjahren wurden 183 peer-reviewed
Publikationen veröffentlicht und 120 Vorträge bei Fachtagungen gehalten und somit der Standort Hessen, die TU Darmstadt und die Forschungsleistung
des LOEWE-Schwerpunkts weit sichtbar repräsentiert. Das CompuGene-Konsortium konnte insgesamt 11.734.687 Euro an Drittmitteln einwerben, v. a. von DFG, EU, Bund und Stiftungen.

Erreichte Strukturentwicklung

Während der Förderperiode des LOEWE-Schwerpunkts CompuGene gelang es hervorragend, die Synthetische Biologie an der TU Darmstadt nachhaltig
sichtbar zu machen und zu verankern. Die starke Interdisziplinarität des Konsortiums bewirkte eine enge Zusammenarbeit zwischen Lebens- und Naturwissenschaften auf der einen und Ingenieurwissenschaften auf der anderen Seite. Dies wurde maßgeblich durch die Einrichtung eines Modelling Labs begünstigt, welches die Möglichkeit eines engen Austauschs zwischen den Projekt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ermöglichte. Sowohl durch die Kollaboration von Biologie, Elektrotechnik und Materialwissenschaften an der TU Darmstadt, wie sie an anderen Standorten sonst eher unüblich ist, als auch durch die Berufung von Prof. Heinz Koeppl als Brückenprofessur zwischen Elektrotechnik und Biologie, etablierte sich am Standort eine enge Zusammenarbeit, von der CompuGene maßgeblich profitierte.

Erwähnenswert ist ferner die Anschaffung einer Robotik-Plattform, zu deren Finanzierung das Präsidium der TU Darmstadt einen Eigenbeitrag von 150.000 Euro leistete (Gesamtkosten 678.000 Euro). Die CompuGene-Arbeitsgruppen profitierten maßgeblich von dieser Infrastruktur, da sie eine umfassende Generierung von Daten erlaubte und die Verifikation von Hypothesen deutlich beschleunigte.

Ein neues Forschungsgebäude in direkter Nachbarschaft zu den experimentell arbeitenden Gruppen von CompuGene beherbergt nun beide durch die LOEWE-Schwerpunkte CompuGene und iNAPO geförderten und im Bereich der Synthetischen Biologie angesiedelten Juniorprofessuren, das Modelling Lab sowie die Robotik-Plattform und bildet somit auch räumlich ein Zentrum für Synthetische Biologie am Fachbereichs Biologie. Die TU Darmstadt konnte sich hier zu einem einzigartigen, interdisziplinären Standort entwickeln, wie es ihn sonst weltweit nur sehr selten gibt (z. B. Imperial College London).

Erreichte Bedeutung/Stellung im Themen-/Forschungsfeld

Viele Aktivitäten des LOEWE-Schwerpunktes CompuGene trugen wesentlich zur internationalen Sichtbarkeit der computergestützten Synthetischen Biologie an der TU Darmstadt bei – so beispielsweise zahlreiche Vorträge international renommierter Gastsprecher in Darmstadt, ein dreitägiges, internationales Symposium oder die von Prof. Heinz Koeppl organisierte internationale Tagung „CMBS-Computational Methods for Synthetic Biology“. Zudem wurden CompuGene-Mitglieder auch zu einschlägigen Fachkonferenzen eingeladen und konnten somit die Sichtbarkeit des Schwerpunkts erhöhen, was letztlich zu neuen Kooperationen mit den Universitäten Manchester, Bristol, Washington oder dem Imperial College London führte. So konnte beispielsweise eine CompuGene-Doktorandin aufgrund neugeknüpfter Kontakte für mehrere Monate in den USA forschen.

Auch die Gründung der „German Association for Synthetic Biology“ (GASB) durch verschiedene deutsche Arbeitskreise sorgte für eine bessere Wahrnehmung der Synthetischen Biologie in Deutschland und stärkte nachhaltig die Vernetzung der hiesigen Gruppen. Zusammen mit der GASB organisierte CompuGene im Mai 2019 das SynBio World Cafe, bei dem Vertreterinnen und Vertreter aus Academia und Industrie aber auch Start-ups und Risiko-Geldgeber miteinander ins Gespräch kommen konnten. Der wissenschaftliche Beirat des LOEWE-Schwerpunkts CompuGene war mit Prof. Paul Freemont (Imperial College London), Prof. Kobi Benenson (ETH Zürich), Dr. Neil Dalchau (Microsoft, Cambridge) und Prof. Anke Becker (Uni Marburg) ebenfalls international besetzt. Des Weiteren wurde die TU Darmstadt in Form von CompuGene eingeladen, in der im Mai 2019 gegründeten „Alliance of non-commercial global biofoundries“ (GBA) mit weltweit 18 Forschungseinrichtungen zu partizipieren; (Ansprechpartner: Jun.-Prof. Johannes Kabisch).

Im 2019 gegründeten Centre for Synthetic Biology unter der Leitung von Prof. Heinz Koeppl werden die Aktivitäten im Bereich der Synthetischen Biologie nun koordiniert und sukzessive ausgebaut. Erklärtes Ziel ist es, das Forschungsfeld an der TU Darmstadt in naher Zukunft von einem emerging field zu einem strategischen Schwerpunktthema auszubauen.

Zahlen und Fakten

Die Angaben beziehen sich mit Ausnahme der Beschäftigten auf die gesamte Projektlaufzeit.

Förderzeitraum 01.01.2016 – 31.12.2019
Bewilligte LOEWE-Mittel in Euro 5.234.884
Verausgabte LOEWE-Mittel in Euro 5.234.884
Bewilligte Drittmittel in Euro 11.734.687

Beschäftigte insgesamt

 

Die Anzahl der Beschäftigten bezieht sich auf alle Beschäftigten, die an dem LOEWE-Projekt mitgearbeitet haben, in Vollzeitäquivalenten, unabhängig von ihrer Finanzierung, Stichtag 31.12. des letzten Förderjahres.

59,14
  • darunter LOEWE-finanziert
11,48
Erfolgreich abgeschlossene Promotionen 7
Erfolgreich abgeschlossene Habilitationen 0
Wissenschaftliche Publikationen 365
Fachvorträge auf wissenschaftlichen Tagungen/Konferenzen 120
Angemeldete Patente 1
  • darunter bereits erteilt
1

 

Wer ist beteiligt?

Kurzvorstellung der beteiligten Hochschulen und Forschungsinstitute

Die TU Darmstadt zählt zu den führenden Technischen Universitäten in Deutschland. Sie verbindet vielfältige Wissenschaftskulturen zu einem charakteristischen Profil, das wir dynamisch weiterentwickeln. Ingenieurund Naturwissenschaften bilden den Schwerpunkt und kooperieren eng mit prägnanten Geistes- und Sozialwissenschaften. Seit ihrer Gründung im Jahre 1877 zeichnet sich die TU Darmstadt durch besonderen Pioniergeist aus. Zu unserem Selbstverständnis gehört es, diese Tradition der Innovation kontinuierlich fortzusetzen. Durch herausragende Leistungen in Forschung, Lehre und Transfer erschließen wir wichtige wissenschaftliche Zukunftsfelder und eröffnen kontinuierlich neue Chancen der gesellschaftlichen Gestaltung. Weltweit stehen wir für herausragende Forschung in unseren hoch relevanten und fokussierten Profil-Bereichen. Wir entwickeln unser Portfolio in Forschung und Lehre, Innovation und Transfer dynamisch, um der Gesellschaft kontinuierlich wichtige Zukunftschancen zu eröffnen.

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