Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur

Großer Erfolg für Forscherinnen und Forscher aus Hessen bei europäischer Förderung

ERC Advanced Grants für neun etablierte Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler / Weitere Erfolge auch bei Starting Grants

Wiesbaden. Neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hessischer Hochschulen und Forschungseinrichtungen erhalten ERC Advanced Grants. Diese Förderung des Europäischen Forschungsrats (ERC) ist so etwas wie der „kleine Nobelpreis“ und unterstützt visionäre Forschung mit bis zu 2,5 Millionen Euro für fünf Jahre. Diese Entscheidung gab der ERC heute bekannt. Auch einer der erstmals ausgeschriebenen Grants des Europäischen Innovationsrats (EIC) geht nach Hessen, hinzu kommen zwei ERC Starting Grants über je rund 1,5 Millionen Euro für Forschende in einem frühen Karrierestadium und ein Proof of Concept Grant für die weitere Umsetzung bereits eingeworbener Stipendien.

„Ich gratuliere allen Spitzenforscherinnen und -forschern, die in diesem international renommierten Wettbewerb erfolgreich waren“, erklärt Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Sie haben sich in einer unabhängigen internationalen Begutachtung durchgesetzt und spielen in der Top-Liga mit. Der Anteil Hessens an den deutschen Advanced Grants liegt in dieser Runde bei weit überdurchschnittlichen 12 Prozent. Als Ministerium unterstützen wir die hessischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen dabei, gemeinsam eine stärkere Beteiligung an den Forschungsförderprogrammen der EU zu erreichen. Das erfolgreiche Abschneiden bei den ERC-Grants ist sehr ermutigend und beweist das große Potential hessischer Forschung.“

ERC Advanced Grants

Prof. Dr. Iryna Gurevych, Fachbereich Informatik, Technische Universität Darmstadt: „Modelling Text as a Living Object in Cross-Document Context – InterText“

Das Forschungsvorhaben entwickelt Methoden Künstlicher Intelligenz, um die Analyse von Texten etwa in Bezug auf Widersprüche, Übereinstimmungen oder Kommentare zu ermöglichen. Dafür entwickelt das Projekt neuartige, auf dem Deep-Learning-Transformer-Modell basierende Methoden, die neben den eigentlichen Texten auch ihre Struktur mit Überschriften, Abschnitten etc. berücksichtigen. Diese neue Technologie erlaubt den Nutzenden eine effiziente Auswertung komplexer Informationen, um beispielsweise Falschnachrichten zu überprüfen. Prof. Dr. Gurevych hat seit dem vergangenen Jahr die erste LOEWE-Spitzen-Professur inne zum Thema „Ubiquitäre Wissensverarbeitung“, deren Ausstattung das Land aus dem Forschungsförderprogramm LOEWE bis 2016 rund 2,52 Millionen Euro finanziert.

Prof. Dr. Ahmad-Reza Sadeghi, Fachbereich Informatik, TU Darmstadt: „Hardware-assisted Adaptive Cross-Layer Security for Computing Systems – HYDRANOS“

Durch einen neuen radikalen Ansatz will das Projekt nachhaltige Sicherheit für Computersysteme verwirklichen. Dazu werden sicherheitskritische Komponenten in der Hardware, konkret im System-on-Chip (SoC), rekonfigurierbar, während die anderen Komponenten statisch bleiben. Somit können sicherheitsrelevante Einheiten vor allem gegen künftige Angriffe adaptiv direkt in der Hardware angepasst werden. Prof. Dr. Sadeghi wurde 2010 im Rahmen des LOEWE-Zentrums „CASED – Center for Advanced Security Research Darmstadt“ (von 2008 bis 2016 mit rund 36,5 Millionen Euro zuzüglich rund 27,3 Millionen Euro für Baukosten gefördert) auf eine W3-Kooperationsprofessur an die TU Darmstadt berufen.

Prof Dr. Stefanie Dimmeler, Institut für Kardiovaskuläre Regeneration, Goethe-Universität Frankfurt: „The cardiac neuro-vascular interface in aging – Neuroheart“

Alter ist ein Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislauf-Beschwerden, wobei die Mechanismen der altersbedingten Veränderungen nicht vollständig geklärt sind. Vorläufige Daten zeigen, dass die Alterung mit einer Abnahme der Nervenfaserdichte im Herzen einhergeht. Das Projekt untersucht, wie die Wechselwirkung zwischen Neuronen und Gefäßen zu einer gesunden Alterung des Herzens beiträgt. Prof. Dr. Dimmeler erhielt bereits 2008 und 2014 ERC Advanced Grants. Sie war stellvertretende Sprecherin des LOEWE-„Zentrums für Zell- und Gentherapie“ (CGT), das von 2011 bis 2018 vom Land mit rund 40,4 Millionen Euro gefördert wurde.

Prof Dr. Ivan Đikić, Institut für Biochemie II, Goethe-Universität Frankfurt: „Endoplasmic reticulum remodelling via ER-phagy pathways – ER-REMODEL“

Das endoplasmatische Retikulum (ER) ist das größte Membransystem innerhalb von Zellen und hat wichtige Funktionen bei Synthese und Transport zellulärer Bestandteile. Dafür verändert das ER kontinuierlich seine Form. Wie diese Umformung erreicht wird, ist weitestgehend unerforscht, jedoch wichtig für die Behandlung von Erkrankungen wie Krebs und Infektionen. Ein besseres Verständnis der molekularen Mechanismen der ER-Dynamik ermöglicht daher auch, neue therapeutische Strategien zu entwickeln. Es ist das dritte Mal, dass Ivan Đikić einen ERC Advanced Grant gewinnt (zuvor 2009 und 2016). Er war Sprecher des LOEWE-Schwerpunkts „Ubiquitin-Netzwerke (Ub-Net): Von molekularen Mechanismen zu Erkrankungen“, den das Land von 2014 bis 2017 mit rund 5,4 Millionen Euro gefördert hat, und ist Teilprojektleitender am LOEWE-Zentrum „Frankfurt Cancer Institute FCI“, das zwischen 2019 und 2022 rund 23,6 Millionen Euro Förderung vom Land erhält.

Prof. Dr. Andreas M. Zeiher, Institut für kardiovaskuläre Regeneration, Goethe-Universität Frankfurt: „Clonal hematopoesis of indeterminate potential and degenerative aortic valve stenosis – CHIP-AVS“

Die degenerative Aortenklappenstenose ist die häufigste erworbene (also nicht erbliche) Herzklappenerkrankung und wird aufgrund der alternden Bevölkerung weiter zunehmen. Derzeit gibt es keine Therapie, die ihr Fortschreiten aufhalten könnte, außer den Aortenklappenersatz. Es fehlt bisher an einer klaren Risikovorhersage. Ziel ist es nun, Biomarker zu erkennen, wann sich der Eingriff lohnt. Prof. Dr. Zeiher war Sprecher des LOEWE-„Zentrums für Zell- und Gentherapie“ (CGT), das vom Land von 2011 bis 2018 mit rund 40,4 Millionen Euro gefördert wurde.

Prof. Dr. Peter R. Schreiner, Institut für Organische Chemie, Justus-Liebig-Universität Gießen: „Cold Organic Chemistry – COLDOC“

Für organisch-chemische Reaktionen unter ungewöhnlichen Bedingungen wie extremer Kälte reicht im Normalfall die vorhandene Energie nicht aus. Da viele organische Moleküle aber im Weltraum oder in Meteoriten entdeckt wurden, müssen sie unter solchen Bedingungen durch bisher weitgehend unbekannte Mechanismen entstanden sein. Die Forschenden wollen die Bedingungen des interstellaren Mediums nachahmen, das galaktischer kosmischer Strahlung ausgesetzt ist, und so die Bildung komplexer organischer Moleküle besser verstehen, die oft als Bausteine des Lebens angesehen werden. Prof. Dr. Schreiner war stellvertretender Sprecher des LOEWE-Schwerpunkts „Innovative Synthesechemie für die selektive Modulation biologischer Prozesse (SynChemBio)“, den das Land von 2014 bis 2017 mit rund 4,9 Millionen Euro gefördert hat, und ist Teilprojektleiter im LOEWE-Schwerpunkt „PriOSS – Prinzipien von oberflächengestützten Synthesestrategien“, der von 2021 bis 2024 rund 4,2 Millionen Euro erhält.

Prof. Dr. Stefanie Susanne Dehnen, Fachbereich Chemie, Philipps-Universität Marburg: „Bismuth Cluster-Based Materials – BiCMat“

Das Forschungsprojekt widmet sich der Synthese und Anwendung Bismut-basierter Nanostrukturen, um die Basis für die Entwicklung neuartiger und zukunftsweiser Materialien zu schaffen. Das Metall Bismut hat eine hohe Luft- und Temperaturstabilität und ist praktisch ungiftig. Davon abgeleitete Materialien sind daher weniger bedenklich als viele andere Metallverbindungen. Das Projekt BiCMat erforscht neue Methoden zur Herstellung und Nutzung solcher Strukturen. Prof. Dr. Dehnen ist Projektleiterin im von 2019 bis 2022 vom Land mit insgesamt rund 4,2 Millionen Euro geförderten LOEWE-Schwerpunkt „MOSLA – Molekulare Speicher zur Langzeitarchivierung“) unter Federführung der Universität Marburg.

Dr. Martin Beck, Forschungsgruppe für Molekulare Soziologie, Max-Planck-Institut für Biophysik: „Beyond nucleocytoplasmic transport – Nuclear pores as self-regulating valves for flux across the nuclear envelope – NPCvalve“

Ziel ist es, zu erforschen, ob neben bereits bekannten Funktion die Kernporen in Zellen auch als eine Art Druckventil fungieren, um mechanischen Druck auf den Zellkern auszugleichen. Kryo-Elektronentomographie und molekulare Bildgebung in lebenden Zellen werden in Verbindung mit modernsten molekularbiologischen Techniken und am Computer simulierten Strukturmodellen eingesetzt, um in einem ganzheitlichen Ansatz zu untersuchen, wie Zellen mit akutem mechanischem Stress umgehen. Die Ergebnisse dieser Forschung werden zum besseren Verständnis zellulärer Prozesse beitragen und so neue Ansätze für Therapiemöglichkeiten von Erkrankungen liefern.

Prof. Dr. Erin M. Schuman, Abteilung für Synaptische Plastizität, Max-Planck-Institute for Brain Research: „Revealing the Landscape of Synaptic Diversity by Cell type- and Synapse-specific Proteomics and Transcriptomics – Diverse Synapse“

Gehirnzellen, Neuronen, haben Tausende von Abteilungen: die Synapsen, die für die Kommunikation mit Tausenden von anderen Neuronen verwendet werden. Da die Funktion der Synapse und ihre Fähigkeit, sich zu verändern, weitgehend von den Molekülen (mRNAs, Proteine, Lipide) bestimmt werden, die sie bevölkern, ist es wichtig, diese molekulare Vielfalt zu verstehen. Das Projekt widmet sich den Molekülen und der Bewertung, wie diese auf Plastizität reagieren. Prof. Schuman hatte bereits 2011 und 2016 einen ERC Advanced Grant eingeworben.

Grant des EIC

Grant des Europäische Innovationsrats (EIC)

Prof. Jan Peters, Ph. D., Fachbereich Informatik, TU Darmstadt: „Visual Robot Programming (VRP)“

Der vom EIC erstmals vergebene Transition Grant unterstützt, dass neuartige Technologie auf den Markt gebracht wird. Die Förderung läuft über zwei Jahre und beträgt gut eine Million Euro. Prof. Peters wird in der visuellen Roboterprogrammierung (VRP) daran arbeiten, Roboter ausschließlich durch Gesten zu programmieren, ohne Programmcode. Industrieroboter können so mit minimaler Schulung angelernt werden. Derzeitige Industrieroboter sind darauf ausgelegt, dieselbe Aufgabe dauerhaft zu wiederholen. Dadurch sind sie für Massenfertigung eines einzelnen Produktes geeignet, nicht aber für die von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) benötigte Massenfertigung in kleinen Stückzahlen. Prof. Dr. Peters ist Teilprojektleiter im LOEWE-Schwerpunkt „WhiteBox – Erklärbare Modelle für menschliche und künstliche Intelligenz“, den das Land von 2021 bis 2024 mit 4,7 Millionen Euro fördert.

ERC Starting Grants

Prof. Dr. Mirco Göpfert, Institut für Ethnologie, Goethe-Universität Frankfurt, „Humour as an epistemic practice of the political present – NoJoke“

Humor ist mit akademischen Methoden schwer zu untersuchen. Eine vergleichende Langzeitstudie mit Karikaturisten, Komikern, Satireautoren, satirischen Politikern und komödiantischen Journalisten in Berlin, Brüssel, Budapest, Caracas, Johannesburg und der iranischen Diaspora verfolgt drei Ziele: das Eindringen von Humor und Humoristen in das Feld der Politik zu erforschen; eine Theorie des Humors (Wahrnehmung, Kreation, Antizipation) in der politischen Gegenwart zu formulieren; eine alternative Praxis akademischer Wissensproduktion in Gang zu setzen.

Prof. Dr. Lisbeth Zimmermann, Institut für Politikwissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt: „The Effects of Far Right Challenges on International Organizations – FARRIO“

Während Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die rechtsextremen Akteure in der Innenpolitik analysiert haben, ist das Wissen über ihre transnationalen Aktivitäten und Auswirkungen begrenzt. Empirisch werden diese rechtsextremen Bestrebungen in Bezug auf die EU, die UN und ihre Sonderorganisationen und Verträge in vier zentralen Politikfeldern (Migration, Frauenrechte, Klimawandel und öffentliche Gesundheit) verglichen.

Proof of Concept Grant

ERC Proof of Concept Grant

Prof. Dr. Sascha Preu, Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik, TU Darmstadt: „Photonic Spectrum Analyzer for the Terahertz Spectral Domain – PhoSTer THz“

ERC Proof of Concept Grants in Höhe von 150.000 Euro dienen der weiteren Umsetzung bereits eingeworbener Grants. Prof. Dr. Preu baut damit auf das Projekt „Pho-T-Lyze“ auf, für das er im Jahr 2017 einen ERC Starting Grant erhielt, und prüft die Forschungsergebnisse auf ihr Potenzial für die Generierung ökonomischen Mehrwerts. Sein Vorhaben befasst sich mit der Entwicklung von Systemen zur spektralen Analyse des leistungsstarken Terahertz-Bereichs, der sich zwischen Mikrowellen und Infrarotwellen befindet und für Anwendungen in 6G-Mobilfunknetzen wichtig sein wird. Prof. Dr. Preu wurde 2014 im Rahmen des LOEWE-Schwerpunkts „STT – Sensors Towards Terahertz“ (von 2013 bis 2016 mit rund 5 Millionen Euro gefördert) auf eine W1-Juniorprofessur „THz-Systemtechnik“ berufen.

Bereits früher im Jahr bekannt gegeben wurden Consolidator Grants für vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Hessen, Prof. Constantin A. Rothkopf, Ph.D., Professor für Psychologie der Informationsverarbeitung an der Technischen Universität Darmstadt, und Prof. Dr. Tobias Berg, Professor für Finance an der Frankfurt School of Finance & Management.

Die Auszeichnung ist mit bis zu zwei Millionen Euro ausgestattet und wird an exzellente Forschende vergeben, deren Arbeitsgruppe sich in der Konsolidierungsphase befindet. Ebenfalls bereits bekannt waren zwei ERC Starting Grants für Dr.-Ing. Michael Muma, TU Darmstadt, und Dr. Teresa Gatti, Justus Liebig University Gießen.

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